: Senat kuscht vor Vattenfall
Ohne Not hat die rot-rote Regierung einen Exklusivvertrag mit dem Stromriesen frühzeitig verlängert. Dabei hätte sie mit einer Ausschreibung mehr für das Land rausschlagen können, kritisieren die Grünen. Sie vermuten andere Motive
Während die EU den großen Stromkonzernen ihre Netze und damit ihre Marktmacht wegnehmen will, setzt der rot-rote Senat lieber auf lokale Wirtschaftsförderung. Die Landesregierung hat nach taz-Informationen beschlossen, Exklusivverträge mit dem Multi Vattenfall frühzeitig zu verlängern. Sie beraubt sich so der Möglichkeit, dem Stromriesen bessere Bedingungen abzuringen – oder von anderen Anbietern mehr Geld zu bekommen. Durch den Konzessionsvertrag vermietet das Land dem Konzern öffentlichen Grund, damit dieser darin seine Leitungen verlegen und warten kann.
Bereits Ende November hat Rot-Rot still und heimlich die Verlängerung beschlossen. Auf Nachfrage der Grünen begründete Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Entscheidung im Parlament so: „Die Verlängerung hat sich als die beste Möglichkeit erwiesen. Andernfalls hätten wir uns materielle Nachteile eingehandelt.“ Vattenfall überweist dem Land für die Macht über das Stromnetz jährlich 143 Millionen Euro. Der Vertrag wäre nur bis Ende 2009 gelaufen; nach dem Senatsbeschluss verlängert er sich um fünf Jahre.
Für die Grünen ist die Sache klar: „Der Senat kuscht vor dem lokalen Platzhirschen“, sagt Michael Schäfer, Energiefachmann der Fraktion. Die Oppositionspartei hat den möglichst schnellen Ausstieg gefordert, um den Konzessionsvertrag dann in einer Ausschreibung neu zu vergeben. Und sie hatte 2006 im Wahlkampf erklärt, das Thema diskutieren zu wollen. „Der Senat gibt ohne Not früh einen Hebel aus der Hand, mehr für Berlin herauszuschlagen. Offensichtlich hat er keinerlei Interesse an einer parlamentarischen Diskussion“, sagt Schäfer.
In der letzten Plenarsitzung blockte Sarrazin die Idee schroff ab: „Es gab hier keinen wie auch immer gearteten Hebel.“ Eine Kündigung sei keine Möglichkeit, Netz und Betrieb zu trennen, so Sarrazin. Über die könne man nur „in einem völlig anderen ordnungspolitischen Rahmen“ reden. Genau das tut im Moment die Bundesregierung – wobei die Idee der Zerschlagung, mit der die EU spielt, in weite Ferne rückt. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) lehnt eine Trennung von Netz und Produktion strikt ab. Und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will beides betriebsrechtlich nur trennen, falls andere Maßnahmen nicht greifen.
Der Grüne Schäfer vermutet in dem vorauseilenden Gehorsam des Senats gegen Vattenfall noch ein weiteres Motiv. Der Strommulti prüfe derzeit, welcher Berliner Standort sich am besten für ein neues Steinkohlekraftwerk eigne, sagt Konzernsprecher Olaf Weidner. Die Entscheidung falle in den nächsten Monaten, eine Investition von 1 Milliarde Euro sei geplant. Im Vermögensausschuss hätten Regierungsvertreter die Konzessionszusage auch mit diesen Investitionen begründet, so Schäfer. ULRICH SCHULTE
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