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Das Ringen mit der Nationalität

Der Türkische Ringerverein ist in die Bundesliga aufgestiegen. Zum ersten Mal ist damit ein türkischer Club erstklassig. Dabei sind die meisten im Team Deutsche – und sie werden künftig gegen Vereine kämpfen, die mit viel mehr Ausländern antreten

von Johannes Kopp

Es war ein Ereignis von sporthistorischem Rang – doch kaum jemand in Deutschland nahm Notiz davon. Vor gut einer Woche ist der Türkische Ringerverein (TRV) Berlin in die erste Liga aufgestiegen. „Zum ersten Mal ist es einem türkischen Verein in Deutschland gelungen, erstklassig zu werden“, sagt Halil Ibrahim Özcan, der Geschäftsführer des Clubs. Den entscheidenden Relegationskampf gegen KG Rostock/Warnemünde gewann man mit 21:15 – fast vollständig ignoriert von deutschen Medien.

Ganz anders fiel die Resonanz in der türkischsprachigen Presse in Deutschland aus. Die auflagenstärksten Zeitungen begeisterten sich für die Ringer aus dem Wedding. Tage vor dem wichtigen Kampf zählte die Tageszeitung Hürriyet sogar einen Count-down an. Täglich erschienen kleine Artikel über den TRV. Und als der Aufstieg am Samstag vor einer Woche geglückt war, widmete das Blatt dem Verein eine komplette Seite.

Ringen ist sehr populär in der Türkei, in Deutschland dagegen nur eine randständige Sportart. Das allein erklärt aber nicht diese Diskrepanz in der Berichterstattung. Özcan räumt ein, sein Verein müsste künftig etwas tun, um auch von den Deutschen beachtet zu werden. Auf Öffentlichkeitsarbeit habe man bislang verzichtet. Im Unterschied zu den türkischen Medien hätten die Deutschen aber auch von sich aus kein Interesse gezeigt.

„Dabei sind wir eigentlich ein deutscher Verein“, sagt Özcan. Die meisten Ringer des TRV sind in Berlin aufgewachsen und haben einen deutschen Pass. Fünf traten sogar schon für die deutsche Nationalmannschaft an – eine Besonderheit, die nicht viele Erstligisten vorweisen können.

Seit geraumer Zeit klagt der Deutsche Ringerbund (DRB) darüber, dass die Teams zu viele ausländische Kämpfer engagieren und damit dem eigenen Nachwuchs die Entwicklungschancen nehmen würden. Teure Transaktionen haben in den vergangenen Jahren zudem schon einige Traditionsvereine in den Ruin getrieben: Nach dem SC Goldbach und dem KSV Aalen musste dieses Jahr der VFK Schifferstadt Konkurs anmelden. Deshalb hat der Verband die Erstligaclubs für kommende Saison verpflichtet, bei allen Kämpfen mit mindestens drei Deutschen anzutreten. „Für uns ist das kein Problem“, sagt Geschäftsführer Özcan lächelnd.

Der Migrantenverein ist deutscher als viele seiner künftigen Mitkonkurrenten. Manfred Werner, Präsident des DRB, bezeichnet die Personalpolitik des TRV Berlin gar als „vorbildhaft“. Allerdings wurde auch hier der Aufstieg erst durch Verstärkungen aus dem Ausland möglich. Vor der Saison verpflichtete der Club zwei Bulgaren und einen Schweden. Und ohne international erfahrene Athleten ist man in der Bundesliga kaum konkurrenzfähig. So sind Trainer und Präsident des TRV momentan auf Reisen. Sie suchen nach Ringern, die dem Verein helfen können, sich in der Top-Liga zu etablieren. „Das ist unser vorrangiges Ziel für die nächste Saison. Danach wollen wir ganz nach oben“, erklärt Özcan. Kaum aufgestiegen träumen sie in Berlin bereits von der deutschen Meisterschaft. Die Euphorie scheint derzeit keine Grenzen zu kennen.

Für solch große Ziele wird sich der TRV ganz schön strecken müssen. In erster Linie ist das eine Frage der Finanzen. Der bisherige Etat von 40.000 Euro muss für die im September beginnende Erstligasaison wahrscheinlich verdoppelt werden. Laut Özcan gibt es dafür genügend Spielraum. Er erzählt, dass viele seiner Ringer bereits in der vergangenen Kampfrunde in der ersten Liga für drei- und vierfache Gagen hätten antreten können. Bülent Dagdemir war Militärweltmeister, Mesut Okcu Junioren-Europameister und Ramazan Aydin dreimaliger Zweiter bei Deutschen Meisterschaften. Sie alle, so Özcan, hätten aber ihr Herz dem TRV gegeben. Aufgrund dieses anspruchslosen Verhaltens könne man nun für andere etwas mehr ausgeben.

Der Präsident des Berliner Ringerverbands, Claus Baumhauer, warnt allerdings vor allzu viel Träumerei. Er erinnert daran, dass dem Verein in der Vergangenheit immer wieder unerwartet Sponsoren abgesprungen seien. Zudem müsse sich der Club professionalisieren. Es fehle an nachhaltiger Jugendarbeit und an einer 2. Mannschaft, um den Ersatzsportlern Wettkampfpraxis zu bieten. Doch Baumhauer will auch nicht zu viel herummäkeln. Schließlich gibt es Fflgendes festzuhalten: „Ich freue mich, dass Berlin nach über 40 Jahren wieder einen Ringer-Erstligisten hat.“ Das ist eine weitere Besonderheit am Aufstieg des TRV: In der ersten Liga wird fast ausschließlich in der Provinz gerungen.

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