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Gewerkschaft probt den Aufschwung

Nun liegt die Forderung auf dem Tisch: Die IG Metall will in dieser Tarifrunde eine Einkommenserhöhung von 6,5 Prozent. Vorsitzender Peters sagt: „2007 sind die Arbeitnehmer dran.“ Arbeitgeber werfen der Gewerkschaft Realitätsverlust vor

von THILO KNOTT

Die IG Metall strebt in der Tarifrunde für die 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie eine Einkommenserhöhung von 6,5 Prozent an. Diese Forderungsempfehlung gab der Vorstand der Gewerkschaft gestern in Frankfurt/Main bekannt. „2007 sind die Arbeitnehmer dran“, betonte der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters. Die Metall- und Elektrobranche könne eine Erhöhung in dieser Größenordnung locker verkraften und finanzieren.

Die IG Metall errechnete laut Peters für das laufende Jahr einen gesamtwirtschaftlich neutralen Spielraum aus Inflation und Produktivitätsanstieg in Höhe von 4,1 Prozent, in der Metallwirtschaft betrage der Spielraum 6,5 Prozent. Zuletzt hatte die Gewerkschaft 2002 eine Forderung in dieser Höhe für die deutsche Schlüsselindustrie gestellt. Der damalige Tarifabschluss lag bei 4 Prozent für 2002 und 3,1 Prozent für 2003 (siehe Grafik).

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser kritisierte, die IG Metall schwimme mit ihrer Forderung „auf einer Welle der Illusionen hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in der Welt“. Laut Kannegiesser zeigen alle Daten und Fakten, dass 2007 insgesamt zwar noch ein wirtschaftlich ordentliches Jahr werde, aber spürbar unter 2006 liege. Ein höherer Abschluss als bei der vergangenen Tarifrunde sei deshalb nicht möglich. Damals hatte die Gewerkschaft 5 Prozent mehr Lohn gefordert und 3 Prozent plus eine Einmalzahlung in Höhe von 310 Euro durchgesetzt. Die Arbeitgeber haben der IG Metall deshalb schon früh erneut einen „Konjunkturbonus“ in Form einer einmaligen Prämie angeboten.

Die Einmalzahlung wird einer der Streitpunkte in dieser Tarifauseinandersetzung sein. Peters erteilte dem Arbeitgeberangebot eine klare Absage. „Einen Paradigmenwechsel in Richtung Einmalzahlung statt prozentualer Erhöhung wird es nicht geben“, sagte er. Die Einmalzahlung aus der Tarifrunde 2006 war ein Novum für die Branche: Die Unternehmen konnten je nach wirtschaftlicher Lage in Abstimmung mit dem Betriebsrat von der 310-Euro-Einmalzahlung nach unten oder nach oben abweichen – von 0 Euro bis zu 620 Euro. Nach einer Erhebung der IG Metall haben 82 Prozent der Unternehmen die 310 Euro auch ausbezahlt, 11 Prozent dagegen mehr und 7 Prozent weniger als 310 Euro.

Auch unter den Wirtschaftsexperten gehen die Meinungen über die Lohnforderung der IG Metall auseinander. „Ein Abschluss von 3,5 bis 4,5 Prozent ist problemlos realisierbar“, sagte Reinhard Bispink von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gegenüber der taz. Dies entspreche dem kostenneutralen Spielraum aus Preissteigerung und gesamtwirtschaftlicher Produktivität. Dem widersprach der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz. „Die moderate Tarifpolitik der vergangenen Jahre war ein wichtiger Grundstein für den jetzigen Aufschwung. Das dürfen die Gewerkschaften nicht aufs Spiel setzen“, betonte der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Maximal 3 Prozent Lohnerhöhung halte er für vertretbar.

Die Vorstandsempfehlung der IG Metall von 6,5 Prozent wird jetzt noch in den sieben Metall-Bezirken diskutiert. Die meisten Bezirke hatten sich für Forderungen zwischen 6 und 7 Prozent ausgesprochen.

Beschlossen wird die Lohnforderung endgültig Ende Februar; die ersten Verhandlungstermine sind für Mitte März angesetzt. Die Friedenspflicht läuft am 28. April aus, erst dann kann die IG Metall mit Streiks Druck auf die Arbeitgeber machen.

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