: Schule präsentiert von …
Sponsoring und Werbung wird aus Gründen finanzieller Not von Berliner Schulen genutzt, um Geld aus der Wirtschaft zu bekommen. Die Gewerkschaft kritisiert die Kommerzialisierung der Bildung
VON MAREIKE KNOKE
Stellen wir uns folgende Szene vor: Der Chemielehrer einer beliebigen Berliner Schule betritt den Klassenraum. Auf dem Kopf trägt er eine magentarote Mütze mit dem Emblem eines bekannten Telekommunikationsanbieters. Das sieht ziemlich albern aus, aber immerhin zahlt der Konzern der Schule dafür im Rahmen eines Sponsoringvertrages eine vierstellige Summe. Danach hält der Pädagoge einen kurzen Vortrag über den edlen Spender der neuen Chemiebaukästen, den Pharmakonzern Y.
Schöne, schlimme Werbewelt an Berliner Schulen? Seit Ende der 90er-Jahre ist zumindest Werbung mit Plakaten, Bannern und Postern an den 869 allgemeinbildenden und 256 Berufsschulen offiziell erlaubt. Nur Klassenräume und Fassaden sind tabu – noch. Etliche Schulen machen aus finanzieller Not davon und von Möglichkeiten des Sponsorings Gebrauch.
Die Berliner Bank etwa sponsert seit dem Beginn des laufenden Schuljahrs die Wilhelm-Hauff-Grundschule in einem Weddinger Brennpunkt-Kiez. Die Erstklässler bekamen zur Einschulung ein Köfferchen mit Schreibheften und Stiften und anderen Schulanfängerutensilien. Außerdem je einen 25 Euro- Gutschein, einzulösen in der Bank. Nach Kontoeröffnung, versteht sich. Im Gegenzug gestalteten die älteren Schüler einen der Kundenräume in der Kiez-Filiale der Bank mit selbst gemachten kleinen Kunstgegenständen. Weitere Unterstützung erhielten die Schüler von der Immobilienfirma Engel & Völkers, die neue Computer zur Verfügung stellte. „Werbeplakate werden wir an unserer Schule allerdings nicht aufhängen“, sagt Rektorin Aden.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wittert „totale Kommerzialisierung“, die dem Staat die Möglichkeit gebe, sich aus seiner finanziellen Verantwortung für die Schulen zu stehlen. Und Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes sagt: „Unser vorrangiges Ziel ist es, dass mündige, wirtschafts- und markenkritische Bürger aus unseren Schülern werden. Und dabei muss uns der Staat unterstützen, nicht die Wirtschaft.“ Mag der Verband der Deutschen Werbewirtschaft ZAW auch beteuern, bereits Sechsjährige entwickelten eine kritische Distanz zu Werbung.
Laut SCHOOL, einer Berliner Tochterfirma der Schulmarketingagentur spread blue media group, hat sich das Geschäft mit Werbung im Schulgebäude, zumindest in Berlin, ohnehin als Flop erwiesen. Für die Schulen sind damit kaum zusätzliche Einnahmen für den Förderverein zu erzielen. „Für Firmen ist es einfach nicht attraktiv, ihre Plakate in irgendwelchen dunklen Flurecken zu platzieren, damit sie nicht so auffallen und wo sie kein Mensch wahrnimmt“, begründet Tino Leubner, der für SCHOOL Schulen mit Werbetreibenden zusammenbringt.
„Ein paar hundert Euro kamen unterm Strich dabei heraus,“ berichtet Karl Pentzlien, Schulleiter der Gustav-Heinemann-Oberschule in Marienfelde, der vor Jahren schon alugerahmte Werbeträger in den Fluren anbringen ließ. Die sind nun seit etlichen Monaten leer.
Aussichtsreicher sind Sponsoringverträge. Bank und Immobilienfirma etwa entschieden sich für die Wilhelm-Hauff-Grundschule, sagt Schulrektorin Mariechen Aden, weil die eben nicht nur eine gewöhnliche Weddinger Grundschule ist, mit Schülern, die zu 85 Prozent aus Migrantenfamilien stammen. „Unsere Schule hat den Schwerpunkt Kunstorientierung. Außerdem haben wir Montessori-Klassen eingerichtet und bemühen uns intensiv um die Integration von behinderten Kindern“, zählt Aden die Vorzüge ihrer Kiezschule auf.
Es sei auf jeden Fall von Vorteil für eine Schule, ihr Profil zu schärfen und sich als selbstbewusster Partner für einen potenziellen Sponsor zu präsentieren, bestätigt Helmut Schorlemmer, Rektor eines Gymnasiums in Unna, der eine Studie zu dem Thema verfasste. Das trifft sich gut mit einem Trend, den der Fachverband Sponsoring (Faspo) kürzlich auf einer Tagung ausmachte: 56 Prozent von 218 befragten Agenturen und Unternehmen sind überzeugt, dass die Bedeutung von Schulsponsoring für sie in den kommenden Jahren zunehmen wird. Ein wichtiger Grund ist der sogenannte Corporate-Social-Responsibility-Faktor (CRS) – das gesellschaftliche Engagement, das ein Unternehmen zeigt. Ist der Faktor hoch, ist dies fürs Image unter Umständen Gold wert.
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