: Kita-Kinder kriegen Nachschulung
Viele Vorschulkinder sprechen nur schlecht Deutsch: Rund ein Viertel muss deswegen zum Nachhilfeunterricht, wie die Ergebnisse des „Deutsch Plus“-Tests zeigen. Die Zahlen haben sich in den vergangenen zwei Jahren kaum verändert
Rund ein Viertel der Kinder, die im Sommer eingeschult werden, hat mangelhafte Deutschkenntnisse. Das zeigen die Ergebnisse des jüngsten Tests „Deutsch Plus“, die Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern vorstellte. Damit haben sich die Zahlen im Vergleich zu den beiden Vorjahren kaum verbessert.
Seit 2004 müssen sich alle Kinder ein Jahr vor der Einschulung dem Sprachtest stellen. Zu Bildern stellen die ErzieherInnen dabei Aufgaben wie: „Zeig mir den Eisverkäufer auf dem Bild“ und „Was ist auf diesem Bild falsch?“ Auch wird versucht, kurze Gespräche mit den Kindern zu führen, etwa zur Frage: „Weißt du, wie alt du bist?“ Der Test ist ein sogenannter Schwellentest. Das heißt, er zeigt, ob das Kind die notwendige Sprachfähigkeit für die Grundschule hat.
25.143 Kinder wurden im Herbst vergangenen Jahres getestet. Das Ergebnis: 6.068 Kinder, also 24,1 Prozent, zeigten große Schwächen. Sie müssen deswegen vor der Einschulung einen speziellen Förderunterricht besuchen. 2005 waren es noch 25,5 Prozent, 2004 26,1 Prozent. Ein „erfreulicher Rückgang“, wie Senator Zöllner befand. „Er zeigt eine Tendenz, ist aber kein Anlass, in den Anstrengungen nachzulassen.“ Die Opposition sieht das etwas anders. „Stagnation ist kein Erfolg“, sagt Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen.
Die Testergebnisse offenbaren zudem: Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache machen zwei Drittel derjenigen aus, die Nachholbedarf bei der deutschen Sprache haben. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um zwei Prozentpunkte. Zöllner hält diesen höheren Wert für „nicht dramatisch“. Der Anstieg könne auch auf eine „gewisse Schwankungsbreite“ des Tests zurückgeführt werden. „Deutsch Plus“ enthalte subjektive Beurteilungen der ErzieherInnen und sei damit nicht bis auf die Nachkommastelle genau, so Zöllner.
Auch zwischen den Bezirken bestehen laut dem Test große Unterschiede. So müssen vor allem in Neukölln (45,3 Prozent), Mitte (41,6) und Friedrichshain-Kreuzberg (32,9) besonders viele Kinder zum Förderunterricht. In Pankow sind es hingegen nur 8,3 Prozent der getesteten Kinder.
Der Test belegt auch die erzieherische Aufgabe der Kitas. Denn Kinder, die diese nie von innen sehen, schneiden extrem schlecht ab. Der Anteil dieser Kinder ist zwar gering: 973, also rund vier Prozent der getesteten Kinder, besuchten in diesem Jahrgang keine Kita. Aber rund die Hälfte bestand den Test nicht. Laut Zöllner ist es daher egal, wie die Kitagruppe zusammengesetzt ist, ob sie mehr- oder rein deutschsprachig ist. „Entscheidend ist, dass gesprochen wird“, sagte Zöllner.
Grüne und FDP interpretieren die Zahlen anders. Rund ein Viertel der Kinder weise „ungenügende Sprachfertigkeiten“ auf, obwohl sie eine Kita besuchen, sagte Mieke Senftleben, die bildungspolitische Sprecherin der FDP. Sie folgert: „Das System der vorschulischen Bildung ist nicht in der Lage, Defizite zu beheben.“ Der Grüne Özcan Mutlu nimmt die Ergebnisse zum Anlass, mehr und besser qualifizierte ErzieherInnen zu fordern. Er kritisiert zudem, dass der Test eine Erkenntnis nicht leiste: „Wir erfahren nicht, welche Art der speziellen Förderung das Kind braucht.“
Wie geht es für jene Kinder weiter, die den Test nicht bestanden haben? Bis zu den Sommerferien müssen sie Deutsch pauken – an drei Stunden am Tag, insgesamt ein halbes Jahr. Das ist Pflicht. „Zu wenig“, findet Öczan Mutlu. Von 2008 an, so Zöllner, sollen die Kurse ein Jahr dauern. Ob die Kinder nach der Förderung besser Deutsch sprechen und verstehen, wird allerdings erst langfristig erkennbar – es gibt keine zweite Testwelle, die das überprüft. Gitte Diener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen