: Kompetenz-Zentrum für Grundeinkommen
Das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut eröffnet eine Niederlassung in Erfurt. Wie HWWI-Chef Straubhaar streitet auch Thüringens Ministerpräsident Althaus für deregulierte Märkte und die sozialpolitische Alternative zu Hartz IV
BERLIN taz ■ Für das bedingungslose Grundeinkommen setzt sich Dieter Althaus (CDU) als bislang prominentester Politiker ein. Nun bekommt Thüringens Ministerpräsident neue wissenschaftliche Unterstützung. Gestern eröffnete das Hamburgische WeltwirtschaftsArchiv (HWWI) seine Dependance in der Landeshauptstadt Erfurt. „Unsere Standortentscheidung hat positiv beeinflusst, dass auch Dieter Althaus für das Grundeinkommen streitet“, sagte Thomas Straubhaar, Präsident des HWWI.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Alternative zu Hartz IV, die in jüngster Zeit an Bedeutung gewinnt. „Es wird an alle ausbezahlt und nicht nur an jene, die auch bereit sind, etwas dafür zu tun“, sagte Straubhaar laut Redetext zur Eröffnung der Zweigniederlassung. Das Grundeinkommen bezeichnete er als „zutiefst individualistisches wie auch egalitäres“ Konzept. „Es ist egalitär, weil es alle gleich behandelt. Es ist individualistisch, weil es bedingungslos allen, unbesehen persönlicher Eigenschaften, gewährt wird.“ Verzichten will Straubhaar „auf jeglichen Paternalismus: Niemand prüft, ob es gute oder schlechte Gründe für eine Unterstützung gibt“.
Nicht nur in der Union, auch bei der Linkspartei und den Grünen finden sich Befürworter der neuartigen sozialen Sicherung. Als Argument führen sie ins Feld, dass die entwürdigenden Hartz-IV-Genehmigungen und Sanktionen dann der Vergangenheit angehörten. Als Betrag für das Grundeinkommen nennt Straubhaar 625 Euro pro Person und Monat, zuzüglich öffentlicher Leistungen für die Gesundheitsversorgung. Althaus geht von 800 Euro aus, in denen eine Gesundheitspauschale enthalten ist, die jeder selbst zahlt.
„Das Grundeinkommen trägt dem sozioökonomischen Wandel Rechnung“, meint der HWWI-Chef. Einerseits müsse man die Kosten der sozialen Sicherung vom Arbeitslohn trennen und mittels Steuern finanzieren. Dies mache deutsche Jobs international konkurrenzfähiger. Andererseits solle das Grundeinkommen jedem zur Verfügung stehen, weil man von Vollbeschäftigung als Regelfall nicht mehr ausgehen könne.
Straubhaar stützt sich auf die Lehren des Wirtschaftsprofessors Wilhelm Röpke (1899–1966), den er als einen „der wichtigsten Wegbereiter des deutschen Neoliberalismus der Nachkriegszeit“ bezeichnet. „Neoliberalismus“ will Straubhaar verstehen als „dritten Weg“ zwischen Marktradikalismus und Zentralverwaltungswirtschaft. Einerseits plädiert Straubhaar für die Deregulierung der Märkte, auch des Arbeitsmarktes. Mindestlöhne lehnt er ab und befürwortet die Schwächung der Gewerkschaften. Andererseits spricht er in der Tradition des „Wirtschaftshumanismus“ Wilhelm Röpkes für „einen starken Staat“. „Die Deregulierung des Arbeitsmarktes muss Hand in Hand gehen mit einer sozialen Absicherung“, so Straubhaar – und das bedeute heute: bedingungsloses Grundeinkommen.
Noch ist das thüringische Kompetenz-Zentrum für Sozialreform recht klein. Zwei Mitarbeiter und zwei externe Doktoranden will Straubhaar vorerst in seiner Außenstelle beschäftigten. Diese sitzen aber auch in Erfurt, um gezielt Fördergelder für Transformationsforschung über Ostdeutschland und Osteuropa zu akquirieren.
An der Fachhochschule Jena arbeitet ein weiterer Experte für das Grundeinkommen: Professor Michael Opielka hat im Auftrag der christlich-demokratischen Konrad-Adenauer-Stiftung die Finanzierbarkeit überprüft. Mit Opielkas unterstützender Berechnung im Rücken wird Ministerpräsident Althaus sein Konzept am 26. März bei einem gemeinsamen Symposium des CDU-Vorstands und der Grundsatzkommission der Partei bewerben. HANNES KOCH
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