: Pflüger spaltet die Grünen
Der CDU-Fraktionschef irritiert die Exalternativen mit Bekenntnissen zum Umweltschutz. Er heizt damit einen Konflikt bei den Grünen an. Linke fordern eine Abgrenzung von der Union. Fraktionschef Ratzmann will sich aber keine Option verbauen
VON MATTHIAS LOHRE
Auf den ersten Blick sieht der Parlamentsantrag aus, als stamme er von den Grünen. Unter der Überschrift „Umweltfreundliches Verhalten belohnen“ fordert das Papier vom Senat, schadstoffarme Fahrzeuge innerhalb des S-Bahn-Rings kostenlos parken zu lassen. Doch die gestern veröffentlichte Initiative hat die CDU-Fraktion verfasst. Mit umweltpolitischen Bekenntnissen wirbt die Union um potenzielle Grünen-Wähler. Die neuen Töne von rechts irritieren die Exalternativen: Sollen sie auf das Werben eingehen oder die Avancen strikt zurückweisen? Soll die Partei nach rechts oder links schwenken? Vor ihrem Parteitag am 24. Februar ist die Richtungsdebatte voll entbrannt.
Seit sich die SPD im Oktober 2006 gegen eine Koalition mit den Grünen entschied, reißt die Debatte über den künftigen Parteikurs nicht ab. Fraktionschef Volker Ratzmann drohte im ersten Groll gar mit einer grundsätzlichen Abkehr von der SPD. Im Bund mit CDU und FDP attackierten die Grünen den Senat in der Affäre um die Ehrenbürgerwürde für den Liedermacher Wolf Biermann. Parallel dazu profilierte sich CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger mit seinem Bekenntnis zur Förderung erneuerbarer Energien als schwarzer Umweltengel.
Nun stemmt sich eine Gruppe von rund zehn linken Grünen-Abgeordneten gegen Flirts mit den Bürgerlichen. In einer internen Analyse, die der taz vorliegt, bilanziert die wirtschaftspolitische Sprecherin Lisa Paus: „Die strategische Ausrichtung blieb bisher offen – trotz kurzzeitigem schwarz-grünem Blinker oder Neuwahlforderungen.“ Paus fordert nun ein klares Nein zu schwarz-grünen Spekulationen.
Diese Worte haben in der auf 23 Köpfe angewachsenen Fraktion Gewicht. Fast die Hälfte der Parlamentarier bekennt sich zum linken Flügel. Und der sieht die Zukunft nicht an der Seite der Union. Begründung: Die Milieus möglicher CDU- und Grünen-Wähler würden sich kaum überschneiden. Ganz anders bei Grünen und SPD. Beide konkurrierten um eine „verschmolzene Klientel“ – die „Rotgrünen“.
Die Folgerung der Linken: „Frontalangriffe“ auf die Sozialdemokraten verschreckten potenzielle Wähler. Beide Parteien müssten ihrer Wählerschaft „vorführen, dass sie selbst die besseren Rotgrünen sind. Das kann jedoch dem rotgrünen Block nicht mit einer schwarz-grünen Bündnisoption oder gar Strategieaussage deutlich gemacht werden.“ Also Ja zur SPD, Nein zur CDU.
Daran ändern aus Sicht von Lisa Paus auch die jüngsten Äußerungen Pflügers nichts. Zwar begrüßt die Linken-Sprecherin den Wandel der Union in Umweltschutzfragen. „Aber der Klimaschutz war auch bisher nicht der größte Unterschied zwischen uns“, sagte Paus der taz.
Hingegen will Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann die Tür zur CDU-Fraktion nicht zuschlagen: „Die Grünen brauchen Optionen.“ Derzeit sehe er zwar lediglich Bekenntnisse der Pflüger-Truppe und keine Taten. „Wenn sich aber im bürgerlichen Lager etwas bewegt, können wir das nicht ignorieren.“ Auch die aussichtsreichsten Kandidatinnen für den doppelt besetzten Grünen-Landesvorstand spiegeln den Richtungsstreit: die linke Wohnungsbauexpertin Barbara Oesterheld und Irmgard Franke-Dressler aus Steglitz-Zehlendorf. Letztere fädelte vor drei Monaten im konservativen Südwesten das erste schwarz-grüne Bezirksbündnis Berlins ein.
Mit den Vorstandswahlen auf einem zweiten Parteitag Ende März geht die Richtungsdebatte weiter.
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