: Lebenslang für U21
VON CHRISTIAN RATH
Wer als Jugendlicher eine schwere Straftat begeht, muss im Extremfall künftig für immer hinter Gittern bleiben. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will zwar nicht die Höchststrafe für Jugendliche, die bei 10 Jahren Gefängnis liegt, erhöhen. Allerdings soll bei Tätern, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, künftig auch nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden können – wenn das Verhalten in der Haft auf eine fortdauernde Gefährlichkeit hindeutet
Die Ankündigung kommt nicht überraschend. Das Vorhaben ist schon 2005 im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU vereinbart worden. Zypries hat jetzt mit den Rechtspolitikern der Koalition die Eckpunkte der verschärften Regelung ausgehandelt, ein Gesetzentwurf soll in den nächsten Wochen folgen. Die Änderung des Strafgesetzbuchs könnte noch dieses Jahr in Kraft treten.
Anlass für die Gesetzesverschärfung war ein Fall aus dem Jahr 2005. Damals war in München der neunjährige Peter vergewaltigt und anschließend erstickt worden. Der Täter Martin P. war ein Rückfalltäter, er hatte 1994 als 18-Jähriger einen elfjährigen Mitministranten zu vergewaltigen versucht und anschließend mit 70 Messerstichen getötet. Damals war er zu neuneinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Nur wenige Monate nach der Haftentlassung tötete Martin P. erneut. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte danach eine strengere Gesetzesregelung, die es erlaubt, gefährliche Täter wie Martin P. nach Verbüßung ihrer Strafe in Sicherungsverwahrung zu behalten.
Bisher kann über Täter, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, keine Sicherungsverwahrung verhängt werden. Jugendstrafrecht ist auch bei unreifen „Heranwachsenden“ bis 21 Jahre anwendbar. Bei jungen Menschen wird davon ausgegangen, dass sich kriminelle Neigungen noch nicht verfestigt haben. Deshalb soll auch künftig bei jungen Tätern nicht schon mit dem Strafurteil Sicherungsverwahrung verhängt werden. Sollten sich jedoch während der Haft Indizien dafür ergeben, dass der Täter nach der Entlassung neue schwere Straftaten begehen wird, kann die Sicherungsverwahrung nachträglich beantragt werden. Für erwachsene Straftäter gilt eine entsprechende Regelung bereits seit 2004 bundesweit.
In Zypries’ Eckpunkten sind relativ strenge Voraussetzungen aufgelistet. In Frage kommen nur Täter, die schwere Delikte gegen Leben, Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung begangen haben. Außerdem müssen sie zu mindestens 7 Jahren Jugendhaft verurteilt worden sein. Wenn die Gefängnisleitung in solchen Fällen Anhaltspunkte für fortdauernde Gefährlichkeit sieht, muss sie vor der Entlassung einen Gutachter beauftragen. Empfiehlt dieser die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung, stellt das Gefängnis den Antrag bei Gericht.
Bei erwachsenen Straftätern werden solche Anträge von den Gerichten bisher in aller Regel abgelehnt, weil sie die strengen gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sehen. Spätestens der Bundesgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht sagt Nein. Soweit ersichtlich, sitzt deshalb in Deutschland kein einziger Straftäter in nachträglich angeordneter Sicherungsverwahrung. Auch bei jugendlichen Straftätern werde die Zahl „verschwindend gering“ bleiben, sagte am Wochenende eine Sprecherin von Zypries zur taz. Wichtig sei es aber, für den „Fall eines Falles“ das passende Instrumentarium zur Verfügung zu haben.
Sollte die nachträgliche Sicherungsverwahrung doch einmal bei einem jungen Straftäter angeordnet werden, müsste jährlich überprüft werden, ob er immer noch gefährlich ist. Wenn keine „hohe Wahrscheinlichkeit“ für weitere schwere Straftaten mehr festgestellt wird, muss er sofort entlassen werden.
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