: EU sorgt sich um schmutzigen Verkehr
Wer das Klima schützen will, muss das Verkehrsaufkommen beschränken, fordert die EU-Umweltbehörde. Denn: Ein Fünftel aller Treibhausgase in der EU stammt aus dem Straßenverkehr. Die Emissionen haben seit 1990 um 26 Prozent zugenommen
AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER
Mit sparsamen Autos, besseren Filtern und Biodiesel allein wird man den Klimasünder Verkehr nicht in den Griff bekommen – so lautet die Schlüsselbotschaft einer Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA). Sie wurde gestern dem Verkehrsausschuss des Europaparlaments vorgelegt. Zwar sind ähnliche Erkenntnisse schon von Umweltverbänden veröffentlicht worden. Doch dieses Mal kommt die Kritik von einer EU-Behörde und trifft die eigene EU-Kommission.
Erst vor wenigen Wochen hatten der Umweltkommissar Stavros Dimas und Industriekommissar Günther Verheugen ein Strategiepapier vorgelegt. Sie wollen die klimaschädlichen Auswirkungen des Verkehrs mit technischen Mitteln in den Griff bekommen: Autos sollen weniger Kohlendioxid ausstoßen, reibungsärmere Reifen haben und teilweise mit Biokraftstoff betankt werden. Die wichtigsten Fakten der EEA-Studie: Der Verkehr ist für 21 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Luft- und Schifffahrt sind dabei nicht mitgerechnet, da sie sich nur selten einer Länderstatistik zurechnen lassen.
In der Energieversorgung, der Industrie, der Landwirtschaft und der Müllverwertung gingen die schädlichen Emissionen seit 1990 zurück. Doch die aus dem Verkehr nahmen im selben Zeitraum um 26 Prozent zu. Im Frachtverkehr waren es sogar 51 Prozent. „Eine Klimapolitik kann daher nur erfolgreich sein, wenn sie das Verkehrsaufkommen beschränkt. Die Strategie der EU-Kommission sieht das nicht vor“, schreiben die Autoren der EEA- Studie. „Immer mehr Waren werden über immer weitere Strecken immer häufiger transportiert.“ Statt, wie es nötig wäre, den Speditionen die Umweltkosten ihrer Unternehmungen in Rechnung zu stellen, erhalten sie zahlreiche Subventionen. „Wenigstens 270 bis 290 Milliarden Euro an unterschiedlichen Transportsubventionen lassen sich herausrechnen.“
Von allen öffentlichen Subventionen, die in die Verkehrsinfrastruktur fließen, gehen 59 Prozent auf das Konto des Straßenverkehrs. In der Schifffahrt schlagen Treibstoffsubventionen zu Buche. Der internationale Flugverkehr profitiert vor allem davon, dass er von der Mehrwertsteuer befreit ist. Innereuropäische Flüge können so billig angeboten werden, weil keine Flugbenzinsteuer anfällt. Schätzungen gehen davon aus, dass bei einer Flugbenzinsteuer von 330 Euro für 1.000 Liter Treibstoff jeder zehnte Fluggast innerhalb Europas auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen würde.
Für das Klima würde sich das besonders rechnen: Die Stickoxide, die beim Fliegen in hohen Schichten der Atmosphäre freigesetzt wird, haben einen vielfach stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid. Experten veranschlagen einen Faktor von 300, wenn sie die Klimawirkung einer Tonne CO2 mit der einer Tonne Stickoxide vergleichen.
Nach der Statistik hat der Verkehr besonders in Luxemburg zwischen 1990 und 2004 zugenommen – um fast 160 Prozent. Hier schlägt aber der Tanktourismus zu Buche: Die Statistiker ermitteln ihre Daten nämlich auch auf Basis des Spritverkaufs.
Einige Statistiken aus den neuen Mitgliedsländern werfen indes Fragen auf. Warum kann zum Beispiel Bulgarien auf eine um ein Drittel bessere Bilanz verweisen als 1990, während das Nachbarland Rumänien im gleichen Zeitraum sein Verkehrsaufkommen angeblich um 95 Prozent gesteigert hat?
Peder Jensen, der dänische Autor der EEA-Studie, hält eine Debatte über die Messmethoden in den Mitgliedsstaaten für überfällig. Die Statistiker würden am liebsten ihre Referenzzahlen von Jahr zu Jahr fortschreiben, um Trends ablesen zu können. „Doch in einer globalisierten Welt brauchen wir andere Bemessungsgrundlagen als früher“, fordert Jensen.
So werde der Anteil des Warentransports an den Emissionen danach berechnet, wo die Spedition ihren Sitz hat. Schickt ein polnischer Spediteur seine Laster von Italien nach Spanien, werden die Treibhausgase Polen angerechnet. Anderes Beispiel: Eurostat ermittelt regelmäßig, dass der Preis für Flugtickets schneller steigt als die Inflationsrate. Grund: Billigflieger werden in der Kalkulation nicht berücksichtigt.
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