großrazzia: Ein schäbiges Vorgehen
Erstaunlich gelassen hat die linke Szene auf die gegen sie gerichtete Razzia reagiert, immerhin die größte seit Jahren. Zwar kamen 4.000 DemonstrantInnen zusammen, um ihren Unmut zu zeigen. Doch weder ließen sie sich vom massiven Polizeiaufgebot provozieren, noch kam es zu sonstigen Wutausbrüchen. Das Verhalten der Autonomen wäre vor wenigen Jahren zu einem vergleichbaren Anlass weit hitziger ausgefallen.
KOMMENTAR VON FELIX LEE
Wahrscheinlich hatte sich bei den DemonstrantInnen zu diesem Zeitpunkt bereits herumgesprochen, auf welch dünnem Eis die BKA-Fahnder sich bewegen – zu offensichtlich ist der Zeitpunkt der Razzien, zu vage sind die Anschuldigungen.
Nicht einmal vier Wochen vor den G-8-Protesten hat die Staatsgewalt mit der Paragraf-129 a-Keule geschwungen. Ein Blick auf die Durchsuchungsbefehle genügt: Den Beamten ging es nicht um Ermittlungen gegen die Brandstifter aus der Militanten Gruppe (mg) oder um Terrorverdacht. Sie haben willkürlich eine Verdächtigtenliste zusammengestellt.
Der Vorgang zeigt: Wer so planlos zu Werke geht, kann kaum Erkenntnisse über die tatsächlichen Straftaten der mg besitzen. Das wahre Motiv der Durchsuchungen war, möglichst viel über den G-8-Widerstand in die Finger zu bekommen. Insofern kann die Großrazzia auch als Schwäche der Behörde gedeutet werden: Wenn sie vier Wochen vor dem Großprotest noch hektisch Daten sammelt, hat sie keinen Schimmer, wie der G-8-Widerstand wirklich tickt.
Die Razzien sind dennoch eine ernste Sache. Paragraf 129 a, der in der Vergangenheit immer wieder dazu diente, politisch Missliebige einzuschüchtern, bedeutet alles und nichts. Er kann gegen jeden verwendet werden – auch wenn keine Hinweise auf Straftaten vorliegen. Beschuldigte werden vorschnell mit Terroristen gleichgesetzt. Solange dieser Paragraf für so schäbige Zwecke missbraucht werden kann, wie es das BKA vorgemacht hat, gehört er abgeschafft.
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