piwik no script img

Einfall für zwei

Harald Schmidt holt sich eine Extraportion Unterschichtenfernsehen: Ab Oktober moderiert er seine ARD-Show gemeinsam mit Oliver Pocher

VON HANNAH PILARCZYK

Am 18. April war Oliver Pocher wieder einmal zu Gast bei „Harald Schmidt“. Zum zehnten Mal trafen der Kabarettist und der Comedian da bereits aufeinander, zunächst bei Sat.1, dann in der ARD. Bestens aufeinander abgestimmt spielten sie die Show-Routine durch. Pocher hatte Zeitungsartikel über seinen neuen Kinofilm „Vollidiot“ mitgebracht, Schmidt fragte ihn über die Texte aus. Ein wenig Geplänkel über die Werbespots, die beide für eine Elektromarkt-Kette gemacht haben, und noch ein wenig mehr Geplänkel über Pochers Kinodebüt.

Dann fragte Schmidt Pocher nach neuen Verpflichtungen: Nö, noch nichts Konkretes, antwortete der. Einen Monat später sind die Verpflichtungen sehr konkret. Ab dem 25. Oktober moderiert Pocher mit Schmidt die neue einstündige Sendung „Schmidt & Pocher“. Geplant sind zunächst 22 Folgen.

„Wir haben ‚Rent a Pocher‘ mal wörtlich genommen“, kommentierte ARD-Programmdirektor Günter Struve in Anspielung auf Pochers ProSieben-Sendung gestern den Coup. Tatsächlich hat das Erste Pocher nicht gemietet, sondern gebunkert: Der 29-Jährige wechselt exklusiv zur ARD. Was 1999 mit einem Talentwettbewerb bei Hans Meiser begann („Hans macht dich zum Viva-Star“), führt ihn nun ins Hauptprogramm der Öffentlich-Rechtlichen. Pocher, urteilte der Stern jüngst, gestalte sein ganzes Leben „wie eine Autofahrt: Gas geben, dicht auffahren, drängeln“.

Auslöser für das neue Konzept der Late-Night ist Frank Plasberg. Anfang April beschlossen die ARD-Intendanten, für den WDR-Talker den Mittwochabend im Ersten samt Harald Schmidts halbstündiger Show frei zu räumen. Künftig sollte Schmidt nur noch donnerstags, aber dafür sechzig Minuten lang auf Sendung. Ein willkommener Anlass, sich über die Ausrichtung des Formats Gedanken zu machen – und mit Pocher jemanden zu holen, der hoffentlich mitbringt, was dem auf die 50 zusteuernden Schmidt schon länger fehlt: neue Zuschauer, jüngere Zuschauer, überhaupt mehr Zuschauer. Denn mit durchschnittlich 7 Prozent Quote schwächelte Schmidt zuletzt deutlich. „Oliver Pocher steht für eine junge Zielgruppe und wird der Sendung neue Impulse geben können“, freute sich WDR-Programmdirektorin Verena Kulenkampff gestern.

Was für Impulse Pocher der Sendung geben wird, ist noch nicht klar. „Wir sind noch am Basteln“, sagte Klaus Michael Heinz, Schmidts Redakteur beim WDR, der taz. Erste Probesendungen mit dem neuen Moderatoren-Duo sollen im Sommer produziert werden. Entscheidungen, wer aus dem alten Team von Manuel Andrack bis Natalie Licard dann noch dabei sein wird, sind noch nicht gefallen. Und was die inhaltliche Ausrichtung angeht, verriet Harald Schmidt gestern nur: „Herr Pocher und ich werden wöchentlich auf das einschlagen, was wir am meisten lieben: das Fernsehen.“

Dass sich Schmidt mit Pocher einen der profiliertesten Vertreter des von ihm selbst geschmähten „Unterschichtenfernsehens“ an die Seite holt, spiegelt dabei nicht nur Schmidts eigene Einkehr ins wohlbehütete ARD-Heim wider. Die Abwerbung von Pocher macht auch deutlich, was bei den Öffentlich-Rechtlichen schon lang nicht mehr klappt: das Entdecken und Aufbauen von jungen Comedy-Talenten.

Allerdings kommt im Fall Pocher weniger ProSieben das Verdienst zu, ihn aufgebaut zu haben, als Media Markt. Die Werbespots machten ihn erst wirklich bekannt. Ob er solche Werbekampagnen bei der ARD weiter machen kann, ist unsicher. Im Zweifelsfall hat Pocher in Schmidt den besten Berater, wie man bei den Öffentlich-Rechtlichen arbeitet und trotzdem kommerziell nichts auslässt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen