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Helfer müssen auf die Schulbank

Die internationale Kampagne für mehr Afrika-Hilfe zieht in ihrem jüngsten Bericht eine vernichtende Bilanz der Einhaltung der G-8-Zusagen von 2005

G-8-VERSAGEN

G-8-Zusage 2005:Hilfserhöhung für Afrika um 25 Milliarden Dollar bis 2010

G-8-Hilfserhöhung bisher: 2,3 Milliarden Dollar Nötig wären gewesen: 5,4 Milliarden Dollar Geplante Erhöhung 2007: 1,7 bis 2,3 Milliarden Dollar Nötig zum Aufholen wären: 6,2 Milliarden Dollar

Deutscher Anteil an G-8-Zusage:3,5 Milliarden Dollar Deutsche Hilfserhöhung bisher: 0,043 Milliarden Dollar (36 Millionen Euro) Geplante Erhöhung 2007: noch unklar Nötig zum Aufholen wären: 869 Millionen Dollar (699 Millionen Euro) Quelle: DATA Report 2007

AUS BERLIN DOMINIC JOHNSON

Jeden Tag kriegen 1.500 aidskranke Afrikaner zusätzlich Aidsmedikamente – ein bis vor kurzem noch undenkbarer Erfolg der internationalen Afrika-Hilfe. Jeden Tag stecken sich 8.000 Afrikaner neu mit dem HI-Virus an und 5.000 sterben an Aids – ein Drama, viel größer als der Erfolg.

Wie nahe Licht und Schatten bei der Hilfe für Afrika beieinander liegen, zeigte mit diesem Beispiel gestern der irische Rocksänger Bono bei der Vorstellung eines Berichts über die Umsetzung der Hilfsversprechen des G-8-Gipfels vom schottischen Gleneagles von 2005. Damals hatten die sieben reichsten Industrienationen der Welt plus Russland zugesagt, die Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 zu verdoppeln, was einer Erhöhung um 25 Milliarden Dollar gleichkommt. Eine gigantische Kampagne, angeführt von Musikern wie Bono und Bob Geldof, hatte diese Forderung mit dem Mega-Konzertspektakel „Live 8“ Milliarden Fernsehzuschauern weltweit nahe gebracht. Gestern zogen die beiden zusammen mit dem deutschen Sänger Herbert Grönemeyer Bilanz, flankiert von den Verantwortlichen der internationalen Kampagne „Debt, Aids, Trade in Africa“ (DATA) und der nigerianischen Reformpolitikerin Ngozi Okonjo-Iweala.

Die G-8-Staaten, so der in Berlin präsentierte „Data Report 2007“, hinken weit hinter ihren Zusagen her. Von den 25 Milliarden Dollar, die in Gleneagles bis 2010 in Aussicht gestellt wurden, haben sie bisher gerade 2,3 Milliarden mobilisiert. Fast alles davon kommt aus Japan (1,1 Milliarden) und Großbritannien (1 Milliarde). Die USA erhöhten ihre Afrikahilfe um 339 Millionen Dollar, Kanada um 200 Millionen, Deutschland um 43 Millionen. Frankreich kürzte um 21 Millionen Dollar.

„Ich will nicht von fahrlässiger Tötung reden, aber es hat etwas von fahrlässiger Vernachlässigung von Menschenleben“ sagte Grönemeyer dazu. Um anschließend zu fordern: „Die Welt guckt auf uns. Wir sollten uns endlich zusammenreißen.“

Der kommende G-8-Gipfel in Heiligendamm, so warnt die DATA-Kampagne, kommt zu einem kritischen Moment – genau zwischen dem letzten deutschen G-8-Gipfel 1999, als die internationale Initiative zum Schuldenerlass für die ärmsten Länder beschlossen wurde, und dem nächsten im Jahr 2015, wenn nach geltenden UN-Beschlüssen die Armut auf der Welt halbiert worden sein soll. Und was dieses Jahr nicht beschlossen wird, kann kaum noch rechtzeitig zur Erfüllung der Zusagen von Gleneagles bis 2010 kommen. „Je weiter die G-8-Staaten vom richtigen Weg abkommen, desto schwieriger sind die Ziele bis 2010 zu erreichen“, warnt der DATA-Report. „Auf dem Gipfel in Heiligendamm sollte Bundeskanzlerin Merkel eine Notfallsitzung der G-8-Staats- und Regierungschefs einberufen, um einen Kosten- und Zeitplan zu erarbeiten, mit dem die G-8-Staaten ihre Versprechen gegenüber Afrika einhalten können.“

DATA rechnet vor: Um seine Zusagen noch erfüllen zu können, muss Deutschland seine Afrika-Hilfe ab sofort jährlich um 700 Millionen Euro erhöhen. Angesichts der Mehreinnahmen von gut 20 Milliarden Euro, die die jüngste Steuerschätzung der öffentlichen Hand in Deutschland allein für 2007 in Aussicht stellt, ist das nicht viel.

„Wir erwarten, dass Deutschland seine Versprechen hält“, sagte Bono dazu. „Wenn Deutschland seine Versprechen nicht hält, werden alle anderen auch das Ruder loslassen.“ Der gegenwärtige Protest gegen G 8, so der irische Sänger weiter, sei „die größte gewaltlose Protestbewegung seit der gegen Apartheid“; wenn sie scheitere, sei „Unruhe“ unausweichlich. Und Grönemeyer fügte hinzu, an die Adresse der Politik gerichtet: „Wenn Menschen aggressiver werden, ist das auch Ihre Verantwortung.“

Die deutsche Hilfe für Afrika südlich der Sahara, abzüglich Schuldenerlass, stieg 2005 laut DATA um gerade 28 Millionen Euro und 2006 nur noch um 6,4 Millionen. Die Kritiker meinen wohlwollend: „DATA hofft, dass diese niedrigen Zahlen ein Vermächtnis der Vorgängerregierung sind.“

Die DATA-Zahlen entsprechen nicht denen der Bundesregierung, weil Letztere auch Schuldenerlasse in die Entwicklungshilfe hineinrechnet. Das lehnt DATA ab. Kritik übt der Bericht an der Bundesregierung auch dafür, dass sie Sozialleistungen an Studenten und Flüchtlinge aus Entwicklungsländern in Deutschland als Entwicklungshilfe rechne – rund 10 Prozent der Gesamtsumme – und mehr als jedes andere europäische Land seine Hilfe an den Bezug deutscher Güter oder Beratung knüpfe, nämlich 31 Prozent.

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