NUR GUTE KITAS ERMÖGLICHEN FRAUEN, ZU ARBEITEN UND KINDER ZU HABEN: Kein Geld für Symbolpolitik
Zwar sind nach der Einigung beim Krippengipfel noch immer viele Fragen offen – trotzdem kann man zur schweren Geburt gratulieren. Die große Koalition bietet Frauen die Möglichkeit, Nachwuchs und Beruf besser zu vereinbaren, sowie Kindern, die zu Hause wenig gefördert werden, eine Chance auf frühe Bildung. Das Ziel von Krippenplätzen für 35 Prozent eines Jahrgangs ist zwar bescheiden, und ein Rechtsanspruch nur auf einen Halbtagsplatz nützt einer arbeitenden Frau wenig. Verglichen mit der traurigen Realität ist die Einigung aber ein großer Fortschritt.
Der strittige Erziehungsbonus für Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuen, ist ein Zugeständnis der Union an die wertkonservativen Teile ihrer Wählerschaft. Geld für öffentliche Kinderbetreuung lässt sich nicht mit einer Erziehungsprämie gegenrechnen – schließlich zahlen arbeitende Eltern nicht nur Kitagebühren, sondern auch Steuern und Sozialabgaben. Doch solche Symbolpolitik ist zu teuer. Der Ausbau der Kitas wird viel mehr Geld kosten, als bisher veranschlagt ist. Eltern werden Kitas und Tagesmütter nur dann als Alternative zur heimischen Erziehung wahrnehmen, wenn sie ihre Kinder dort hervorragend aufgehoben wissen. Das heißt erstens, die Zahl der Kinder pro Erzieherin muss niedriger sein, als sie es etwa beim Angebot in Ostdeutschland ist. Dort kümmert sich eine Betreuerin um etwa sieben Ein- bis Dreijährige. Experten fordern einen Betreuungsschlüssel von eins zu fünf. Zweitens sind die Erzieherinnen nicht gut genug ausgebildet. Wer sich um fremdelnde Einjährige kümmert, braucht umfangreiche Kenntnisse in Entwicklungspsychologie oder Bindungsforschung. Das kann nur eine akademische Ausbildung leisten – was auf den dritten Mangel in Deutschland verweist: Frühkindliche Forschung findet an hiesigen Unis kaum statt.
Gut also, dass die gestrige Debatte über das „Ob“ des Krippenangebots beendet werden und die ebenso wichtige Frage des „Wie“ begonnen werden kann. Kommen Kitas erst einmal in den Ruf besserer Verwahranstalten für die Kleinsten, wird, wer immer es sich leisten kann, auf ihre Dienste verzichten. Weder Kinder noch Mütter hätten dann etwas gewonnen. HEIKE HOLDINGHAUSEN
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