: Er verstand es nicht
Aufatmen bei der Weltbank: Endlich tritt Paul Wolfowitz zurück – doch der Einfluss der Bank sinkt
VON NICOLA LIEBERT
Die Reaktion auf die Ankündigung, Paul Wolfowitz werde Ende Juni als Präsident der Weltbank zurücktreten, war einhellig: Endlich! Ungewöhnlich deutlich wurde der deutsche Weltbank-Exekutivdirektor Eckhard Deutscher. Er bedauere zwar die Beschädigungen, die Wolfowitz erlitten habe, „aber in viel stärkerem Maß die Beschädigungen die er der Weltbank zugefügt hat“.
Wolfowitz hatte bei seinem Amtsantritt 2005 für seine Lebensgefährtin Shaha Riza, um Interessenkonflikte zu vermeiden, die Versetzung von der Weltbank ins US-Außenministerium organisiert – aber erreichte zugleich für sie eine überdimensionierte und regelwidrige Gehaltserhöhung, die die Weltbank finanzieren muss. Vorgestern Abend kam es zu einer Einigung zwischen Exekutivrat und Wolfowitz: Man akzeptiere, dass dieser in gutem Glauben gehandelt und nicht nur er Fehler gemacht habe. Keine Kritik, keine alleinige Schuldzuweisung, nur so war der 63-Jährige zum Rückzug bereit.
Bis zuletzt blieben ihm die Angriffe unverständlich: Beim UN-Programm „Öl für Lebensmittel“ für Saddam Husseins Irak sei es doch zu einem Schmiergeldskandal ganz anderer Größenordnung gekommen, ohne dass Köpfe rollten. Warum also trifft es Wolfowitz wegen gerade mal 60.600 Dollar im Jahr, die seine Freundin nun mehr verdient?
Der frühere US-Vizeverteidigungsminister wollte nicht wahrhaben, wie unbeliebt er war – und das nicht nur wegen seiner Rolle als Bush-Freund und Planer des Irakkriegs. Hinzu kommt, dass die Weltbank immer weniger Kredite nach Afrika vergibt, dass Wolfowitz aber die Rolle der Bank im Irak anscheinend ausweiten wollte. Besonders genervt waren die Mitarbeiter von seinem autokratischen Führungsstil. Nur mit wenigen amerikanischen Vertrauten besprach er sich, bevor er Indien und Bangladesch Gelder für Gesundheitsprojekte strich – wegen Korruption, deren Bekämpfung er als seine Hauptaufgabe sah. Sich selbst nahm er davon offenbar aus.
Es war ein anonym gebliebener Weltbank-Mitarbeiter, der Rizas Gehalt öffentlich gemacht und den Skandal ins Rollen gebracht hatte. Jetzt meldet er sich wieder. In einem öffentlichen Brief fordert er, endlich die Erbhöfe bei der Besetzung der Chefposten in Weltbank – durch die USA – und Internationalem Währungsfonds (IWF) – durch die Europäer – abzuschaffen. „Viele von uns hier bei der Weltbank glauben, dass diese unanständige Episode deutlich macht, wie notwendig eine schnelle Reform der Führungsstrukturen im Allgemeinen und der Berufung des Präsidenten im Besonderen ist“, heißt es in dem Schreiben. „Als Mitarbeiter konnten wir zusammen mit dem Rest der Welt nur staunend zur Kenntnis nehmen, wie dieser Mann zeigte, dass er ausschließlich dem Staatschef eines einzigen Landes rechenschaftspflichtig ist – eines Landes, das nur 16 Prozent der Anteile an der Weltbank hält.“
Der Personalrat der Weltbank protestierte gegen die Verabschiedung von Wolfowitz ohne ein Wort der Kritik. Fragen der Transparenz und Rechenschaftspflicht – genau das, was die Weltbank ihren Kreditnehmern vorzuschreiben versucht – kämen nicht zur Sprache. Auf diese Weise, so die Befürchtung vieler Mitarbeiter, gehe der letzte Rest Glaubwürdigkeit verloren.
Ohnehin schwindet der Einfluss von Weltbank und IWF. Immer mehr Länder, etwa Venezuela und Indonesien, tilgen ihre Schulden und machen sich so vom IWF unabhängig. Afrika verlässt sich zunehmend auf Kredite aus China, und lateinamerikanische Staaten bauen eine „Bank des Südens“ auf – ausdrücklich in Konkurrenz zur Weltbank. Denn in Weltbank und IWF hat der Süden bisher kaum etwas zu melden. Eine Umverteilung der nach globaler Wirtschaftskraft bemessenen Stimmrechte der einzelnen Länder steht zwar inzwischen auf der Tagesordnung, doch die Chancen für eine Veränderung stehen schlecht. USA und EU können sich nicht einigen, wer zugunsten einiger Schwellenländer Stimmen abtritt. Und schon gestern erklärte der US-Präsident, dass wie immer er es sein werde, der schon bald den nächsten Weltbankchef präsentiert. Europa wird sich wohl auch diesmal nicht querstellen, und der Rest der Welt hat nach wie vor nicht genug Einfluss.
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