: Schweres Wetter für Uribe
Die verbündeten USA rücken von Kolumbiens Präsident ab, und ein Exchef der rechten Paramilitärs beschuldigt seine Regierung der Kollaboration
VON GERHARD DILGER
Kolumbien steht Kopf – und Präsident Álvaro Uribe das Wasser bis zum Hals. Die Tageszeitung El Tiempo sieht das Land in einem „Schockzustand“ und hofft zugleich auf eine „kollektive Katharsis“. Denn in der letzten Woche haben sich die Ereignisse überschlagen: Vier Senatoren und ein Abgeordneter wurden wegen ihrer Verbindungen zu den rechtsextremen Paramilitärs festgenommen – damit sitzen bereits 13 Parlamentarier und zwei Gouverneure in Untersuchungshaft. Drei Tage lang packte der frühere Chef der Paramilitärs, Salvatore Mancuso, vor der Staatsanwaltschaft in Medellín aus. Die Regierung entließ 12 hohe Polizeigeneräle, nachdem bekannt geworden war, dass der Geheimdienst der Polizei seit zwei Jahren ohne richterliche Anordnung Minister, Oppositionspolitiker und Journalisten abgehört hatte. Zudem gelang einem seit fast neun Jahren gefangenen Polizisten die Flucht aus den Fängen der Farc-Guerilla.
Aus Washington erreichte den Staatschef die Hiobsbotschaft, dass die Demokraten im US-Kongress das Ende 2006 unterzeichnete Freihandelsabkommen mit Kolumbien nicht ratifizieren wollen, solange der Sumpf der „Parapolitik“ nicht trockengelegt wird und die Gewalt gegen Gewerkschafter anhält. Zwischen 1991 und 2006 wurden laut der Nationalen Gewerkschaftsschule 2.245 Gewerkschafter in Kolumbien ermordet, mehr als im Rest der Welt zusammen.
Vergangenen Freitag zeigte Uribe, bisher ein bedingungsloser Freund von US-Präsident George W. Bush, wie tief er getroffen ist. „Wir können nicht akzeptieren, dass der Freihandelsvertrag mit Panama und Peru genehmigt wird und Kolumbien in dieser Schlacht bestraft wird“, wetterte er, es sei „inakzeptabel“, Kolumbien „wie einen Paria zu behandeln“. Keine Regierung sei so entschlossen gegen den Terrorismus auf allen Seiten vorgegangen wie die seine, sagte Uribe, über 30.000 Paramilitärs und 10.000 Guerilleros hätten ihre Waffen niedergelegt.
Doch die Aussagen Salvatore Mancusos sprechen eine andere Sprache. Der Kriegsherr berichtete von einem vitalen Netzwerk aus Politik und Unternehmen, das die Vorherrschaft der Paramilitärs in Nordkolumbien über Jahre stützte. Mancuso belastete nicht nur zahlreiche Bürgermeister, Gouverneure und Abgeordnete aus der Region, sondern auch hohe Militärs, kolumbianische Großunternehmen und die US-Bananenmultis Dole, Chiquita und Del Monte. Die Konzerne hätten für jede exportierte Bananenkiste einen Cent an die Paramilitärs abgeführt, so Mancuso.
Dass die Todesschwadronen im Kampf gegen die linksgerichteten Guerilla-Organisationen „Kriegssteuern“ erhoben, ist seit längerem bekannt. Doch nur Chiquita hat eingeräumt, den Milizen über sechs Jahre 1,7 Millionen Dollar gezahlt zu haben. In einem Abkommen mit dem US-Justizministerium wurde vereinbart, 25 Millionen Dollar Strafe zu zahlen. Der kalifornische Dole-Konzern dagegen dementierte die Aussagen Mancusos.
Die Todesschwadronen ermordeten in den letzten Jahren hunderte von Bananenarbeitern und zerschlugen immer wieder Gewerkschaftsbewegungen. Den Vorwurf, die Paras wie Söldner bezahlt zu haben, erheben Menschenrechtler auch gegen Coca-Cola, Nestlé und den US-Konzern Drummond, der in der Karibikprovinz Cesar Kohle fördert.
Der 42-jährige Mancuso war bis vor zwei Jahren Chef der Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC). 2004 hatte der ehemalige Viehzüchter den AUC-Gründer Carlos Castaño beerbt, nachdem der unter mysteriösen Umständen offenbar von seinen eigenen Leuten beseitigt worden war. Im Dezember 2005 legte Mancuso nach Verhandlungen mit der Regierung die Waffen nieder. Anfang 2007 gestand er seine Beteiligung an 87 Verbrechen mit 336 Opfern. Von seinen Enthüllungen verspricht er sich offenbar Strafminderung in Kolumbien – und in den USA.
Nach neuen Hinweisen auf die verschleppte Politikerin Ingrid Betancourt (Foto) hat der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe eine verstärkte Suche nach ihrem Versteck angeordnet. „Wir werden nicht einen Millimeter davon abweichen, Ingrid Betancourt und die anderen Landsleute, die mit ihr gefangen sind, zu retten.“ Einen Gefangenenaustausch mit der linksgerichteten Guerillagruppe Farc lehnt er aber weiter ab. Die Geiseln müssten mit militärischen Mitteln befreit werden. Die Farc-Lager seien „grausamer als die Konzentrationslager des Nazis“. Yolanda Pulecio, die Mutter Betancourts, reagierte entsetzt: „Militärische Gewalt bedeutet den Tod für Ingrid.“ Die Farc möchte Betancourt und weitere 54 Politiker, Polizisten und Militärs gegen gefangene Guerilleros austauschen. Der jüngst geflohene Polizist John Frank Pinchao hatte berichtet, er habe die 2002 entführte Betancourt zuletzt am 28. April gesehen. GD
Bei seiner Vernehmung bestätigte Mancuso die Ursprünge dessen, was er selbst „Staatsparamilitarismus“ nennt. „Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien entstand im Rahmen eines irregulären Krieges“, so der AUC-Chef, der „Doktrin der nationalen Sicherheit“. Seit den 60er-Jahren gingen die lateinamerikanischen Militärs unter den Fittichen der USA gegen linke Guerilleros vor. Bei diesem Krieg, der dank des Drogenhandels in Kolumbien bis heute anhält, „geht es um das nationale Einkommen, um seine Verteilung“, so Mancuso. Die Zusammenarbeit der Paramilitärs mit Armee und Polizei habe sich geradezu zwingend ergeben.
Außerdem belastete Mancuso zwei der engsten Mitarbeiter Uribes schwer, die Paramilitärs mit unterstützt zu haben. Vizepräsident Francisco Santos und dessen Vetter, Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, hätten ihn in den 90ern zu Sondierungsgesprächen getroffen, so Mancuso: Francisco habe ihm vorgeschlagen, einen Kampfblock der Paramilitärs für die Hauptstadt Bogotà zu gründen. Und Juan Manuel habe ihn seinerzeit um Hilfe gebeten, den zwischen 1994 und 1998 amtierenden Präsidenten Ernesto Samper zu stürzen.
Das bringt auch Álvaro Uribe selbst wieder stärker in die Nähe der Paramilitärs. Der Präsident war einst Gouverneur der Provinz Antioquia, in der auch die Bananenregion Urabá liegt. Der linke Senator Gustavo Petro (siehe Interview) hat in den letzten Monaten immer wieder angeprangert, dass Uribe als Gouverneur die Convivir-Bürgerwehr mit ihren fließenden Grenzen zu den Paramilitärs gefördert habe. Mehrere seiner Brüder bewegten sich im Dunstkreis der Viehzüchter und Drogenhändler aus Antioquia, so Petro.
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