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Gutes Wetter, schlechte Bildung

Für die Gipfel-Gegner läuft der Countdown: Hunderte Studierende, Schüler und Gewerkschaftler kamen am Samstag zum Aktionstag Bildung. Der Protest war eher verhalten, doch die Forderungsliste der Globalisierungskritiker lang

Es sollte die letzte große Protestaktion in Berlin vor dem Gipfel werden. Bereits vergangene Woche wurde ganz Kreuzberg zum „Convergence Space“ und Vorbereitungsort der Gipfelgegner ausgerufen. Und nun protestierten am Samstag hier Studierende, Schüler und Gewerkschafter im Rahmen der G-8-Proteste mit einem bundesweiten Aktionstag zum Thema Bildung. Mehr als 50 Gruppen und Gewerkschaften hatten unter dem Motto „Die G-8-Bildungspolitik in die Zange nehmen“ zur Demo aufgerufen. Die Veranstalter sprechen von 700 Teilnehmern, die Polizei zählte 400 Studis.

Das Wetter meinte es anfangs noch gut mit den Gipfel-Gegnern. Vielleicht etwas zu gut: Brüllend heiß war es, keine Wolke am Himmel. Offensichtlich haben viele Studierende und Schüler es vorgezogen, lieber im Park zu liegen als zu protestieren. „Ich hätte schon mit mehr Teilnehmern gerechnet“, sagte Antje Neumann*. „Das liegt bestimmt auch am guten Wetter und dem Karneval der Kulturen“, fügte sie enttäuscht hinzu.

Was die Proteste in Heiligendamm angeht, gibt sich die FU-Studentin trotzdem zuversichtlich. „Natürlich werde ich zum Gipfel fahren um zu demonstrieren und ein Zeichen zu setzen“, sagt sie lächelnd. Die Folgen der Globalisierung seien schon jetzt an der Uni sichtbar. Es gehe nur noch um die Verwertbarkeit von Menschen. Geisteswissenschaftliche Fächer, die in der Arbeitswelt wenig anerkannt sind, würden immer weiter zusammengekürzt. Auch die Liste der Kritikpunkte des Veranstalter-Bündnisses an der globalisierten Bildungspolitik ist lang. „Gegen den globalen wettbewerbsorientierten Umbau von Bildung und marktorientierte Eingriffe an den Unis“ wollen die Studis sich engagieren. Die Forderungen gehen vom gebührenfreien Studium über freie Kitaplätze und Lehrmittelfreiheit bis hin zur Öffnung der Hochschulen für alle, die studieren wollen.

„Bildung für alle und zwar umsonst“, riefen denn auch die Demonstranten in den ersten Reihen. Andere aßen lieber noch schnell ein Eis. Ein Student mit Sonnebrille und Basecap trug eine Luftmatraze in der Hand. „Hinter dem Zaun liegt der Strand“ steht darauf.

Unterstützung kam auch von FU-Politikprofessor Peter Grottian. „Ich halte es für wichtig, sich nicht nur auf den Zaun in Heiligendamm zu fixieren, sondern auch den gesamtgesellschaftlichen Widerstand hier vor Ort zu organisieren“, erklärte er. Das neue Bachelor-Master-System inklusive Campusmanagement sorge dafür, dass immer mehr Studierende ohne adäquate wissenschaftliche Ausbildung an der Universität abgefertigt würden, um möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Von freier Lehre könne kaum noch die Rede sein.

Quer durch Kreuzberg bis nach Friedrichshain zog der Protestzug. Das letzte Drittel der Strecke mussten die G-8-Kritiker allerdings im strömenden Regen und unter Hagelbeschuss zurücklegen. Die Teilnehmer sahen es gelassen: Das Wetter habe eben seine Tücken. So lange in Heiligendamm wieder die Sonne scheint, ist das kein Problem.

JOHANNES RADKE

*Name von der Redaktion geändert

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