: Vier-Augen-Prinzip sorgt für Mehrbelastung
BÜROKRATIE Weil seit Januar alle Geldanweisungen von zwei Mitarbeitern abgezeichnet werden müssen, stehen die 16 Jobcenter vor dem Kollaps. Personalräte fordern Stopp des Verfahrens oder 128 Stellen
OLIVER WEIßE, JOBCENTER-HAMBURG
Die Mitarbeiterinnen der 16 Jobcenter sind total überlastet. Eine Personalrätin kritisiert, dass Post liegen bleibt, Geldanweisungen später rausgehen, sich Überstunden anhäufen und Kollegen sogar samstags arbeiten. Zum Jahreswechsel hatte die Bundesarbeitsagentur ihr Hamburger Pendant angewiesen, Leistungen nur noch nach dem 4-Augen-Prinzip zu genehmigen.
„Für mich ist das jeden Tag eine halbe bis eine Stunde Mehrarbeit“, sagt eine Sachbearbeiterin. Schon wenn sie einen Hartz-IV-Bescheid für kleine Mieterhöhungen von 55 Cent ändere, müsse sie schauen, welcher Kollege den Vorgang prüfen könne. Vorher könne das Geld nicht raus.
Früher war dieses Vier-Augen-Prinzip nur bei hohen Beträgen gefordert. Nun gilt es für jede Summe. Die Änderung kommt zu einer Zeit, in der die Mitarbeiterinnen wegen einer neuen Software ohnehin schon mehr Arbeit zu bewältigen haben. Denn dafür müssen die Daten der rund 100.000 Bedarfsgemeinschaften größtenteils neu eingepflegt werden. Dafür ist bis Ende Juni Zeit. Das durch beides mehr Aufwand entstehe, stehe „außer Frage“, erklärt die Jobcenter-Geschäftsführung. Es gebe deshalb 36 zusätzliche befristete Stellen, statt 636 arbeiten nun 672 Menschen in den Leistungsteams.
Doch das reicht nach Rechnung der Personalräte nicht aus. Jeder einzelne habe im Schnitt täglich 15 Prüfaufträge, die rund fünf Minuten benötigen. In ihren Augen erfordere das 128 weitere Mitarbeiterinnen, schreiben sie einem offenen Brief. Andernfalls müsse das Vier-Augen-Prinzip weg. „Früher gab es Stichproben-Kontrollen“, sagt Ver.di-Sekretärin Sieglinde Frieß. „Das war sinnvoller.“ Das sieht die Arbeitsagentur anders. Bei Stichproben wäre der Aufwand größer, so eine Sprecherin. Das Vier-Augen-Prinzip biete dagegen mehr Sicherheit. Über einen Kurswechsel müsse der Bund entscheiden.
Oliver Weiße, Vize- Geschäftsführer des Jobcenters, lobt sein Kollegium: Das mache gerade jetzt einen guten Job. Ob es weitere Stellen gebe, sei eine gemeinsame Entscheidung der Jobcenter, der man nicht vorgreifen könne.
Frieß schlägt vor, dass Hamburg als eine „Options-Kommune“ Jobcenter auch allein betreiben könnte. Für die Ver.di-Sekretärin brauche man vor Ort mehr Entscheidungsspielraum. KAJ