: Polizeiskandal als Fauxpas
Strafvereitelung im Amt: Polizeidirektor Peters kommt mit Fingerklaps davon und beschimpft Staatsanwalt wegen „Ehrverletzung“ ■ Von Elke Spanner
Heute würde er vielleicht eine Strafanzeige gegen Unbekannt stellen, wurde Polizeidirektor Richard Peters gestern vor Gericht eine Minute lang kleinlaut. Damals, vor dem Polizeiskandal, hat er es nicht getan. Dabei hätten die Erlebnisse, die der spätere Kronzeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA), Uwe Chrobok, seinem Vorgesetzten im Februar 1994 unter vier Augen anvertraute, zum Handeln Grund genug geboten: die Mißhandlung von Schwarzafrikanern auf der Polizei-Revierwache in der Kirchenallee.
Mit einer „symbolischen Strafe“verließ Peters gestern den Amtsgerichtssaal. Angeklagt war er wegen Strafvereitelung im Amt. Schuldig sei er nur in einem minderschweren Fall, urteilte der Richter. Sollte er sich in den kommenden zwei Jahren etwas zuschulden kommen lassen, müßte er zehn Tagessätze a 200 Mark zahlen. Vorerst kommt Peters mit eine Geldbuße von 1000 Mark an den Polizeiverein – in dem er selbst Mitglied ist - davon.
Wegen der Mißhandlungsvorwürfe waren zuvor zwei Verfahren gegen Polizisten der Kirchenallee-Wache 11 eingeleitet worden. Beide endeten mit Freisprüchen.
Der damals als leitender Polizeidirektor sieben Hierarchiestufen über Chrobok stehende Peters berichtete gestern, was jener ihm seinerzeit anvertraut hätte: Schwarzafrikaner seien in mehreren Fällen von Polizisten mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen worden, im Freihafen hätten Beamte eine Scheinhinrichtung inszeniert. Und wenn Schwarzafrikaner im engen Zellentrakt in der Kirchenallee eingesperrt gewesen wären, hätte schon mal ein Polizist mit einer Spraydose draufgehalten und sie mit Desinfektionsmittel eingenebelt. Erst Monate nach diesem Gespräch wurden die Vorwürfe im Rahmen des Polizeiskandals öffentlich. Zwar will Peters seinerzeit „als einziger um Aufklärung bemüht gewesen sein“. Doch zum einen war er auch der einzige, der von den Vorwürfen erfuhr, denn die Beamten der Wache 11 hielten dicht. Zum anderen informierte er lediglich polizeiintern den Revierleiter.
Er habe ihn sehr wohl ernst genommen, weicht Peters der Frage des Vorsitzenden Richters Henning Haage aus, ob Chrobok ihm nicht glaubwürdig erschien. Doch dieser habe keine eigenen Erlebnisse geschildert, sondern nur Gerüchte, keine Namen, Tatzeit, Einzelheiten. Ohne Verifizierung des Gehörten habe er „öffentliches Aufsehen vermeiden“wollen.
Trotz der Wogen, die der Polizeiskandal verursacht hatte, verteidigte Peters auch gestern sein damaliges Nichthandeln, übte sich in der Umkehrung des Täter-Opfer-Bildes und ließ auch Staatsanwalt Martin Köhnke nicht ungeschoren. Der habe beim PUA Polizei seine „Ehre verletzt“, als er seines und das Aussageverhalten seiner Untergebenen kritisierte: Köhnke hatte die Einschätzung vertreten, die Polizisten hätten Sachverhalte vertuscht und vernebelt.
Das Gericht wählte mildere Worte. „Viel Lärm um nichts“, befand Richter Haage. Lediglich einen kleinen Fauxpas habe Peters begangen, indem er es unterließ, Strafanzeige zu stellen. Daß er über das Gespräch mit Chrobok in der Öffentlichkeit Stillschweigen bewahrte, sei korrekt gewesen, denn „vertrauliche Gespräche zwischen Vorgesetzten und Untergebenen müssen möglich sein“.
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