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Mädchenhaus wirbt für Eisladen

■ Immer mehr Projekte und Hilfsgruppen verlegen sich in Zeiten knapper Kassen auf Sponsoringeinnahmen aus der Wirtschaft. Die wiederum erhofft sich ein positives Image

Das Angebot auf dem Faltblatt, das rund 50 Reinickendorfer Firmen kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres zugeschickt wurde, klang verlockend: „Investieren Sie mit einer Patenschaft für eine Beratung in die Zukunft Reinickendorfs!“ Vorteile ergäben sich für die Unternehmer gleich dreifach: Durch eine Patenschaft würde für die Firma geworben, dabei gleichzeitig das soziale Image aufpoliert und dann auch noch etwas wirklich Gutes für junge Frauen getan. Das Geld wäre nämlich für die Reinickendorfer Modelleinrichtung „Die Füchsin“ verwendet worden. Für das Projekt sind für dieses Jahr vom Bezirk nur 10.000 Mark Honorarmittel zur Verfügung gestellt worden. Viel zuwenig Geld, um Ausbildungsberatung oder professionelle Hilfestellungen bei Gewalterfahrungen zu geben.

Doch für eine gute Tat im neuen Jahr interessierten sich die Reinickendorfer herzlich wenig. „Wir konnten keine einzige Patenschaft vermitteln“, wundert sich Leiterin Karin Davidts. Nur eine einzige Antwort – von einem Süßwarenhersteller – sei überhaupt gekommen. Begründung für die Absage: Die Firma werde bereits mit Bittbriefen von Projekten „überschwemmt“.

Die Erfahrung, die die Füchsinnen gemacht haben, ist kein Einzelfall. Weil die Zeiten der Vollfinanzierung durch Senat und Bezirke schon lange vorbei sind, müssen immer mehr Projekte und Träger ihre Geld- und Sachmittel aus den unterschiedlichsten Quellen akquirieren. „Social Sponsoring“ heißt dabei das neue Zauberwort, auf das die Projekte hoffen, eine Geschäftsbeziehung, die Profitunternehmen mit Non-Profit-Organisationen eingehen: Der Sponsor gibt Geld oder Sachmittel und bekommt dafür eine eindeutig definierte Gegenleistung. Zum Beispiel sein Logo auf einer Vereinsbroschüre. Der Sponsor will, daß sein Engagement in der Öffentlichkeit bekannt wird und dadurch ein positives „Imagetransfer“ von dem unterstützten Projekt zu seiner Firma stattfindet. Doch die Gegenleistung, die das Reinickendorfer Projekt angeboten hatte, war den angeschriebenen Firmen scheinbar zu ideell, die Investition in die Zukunft junger Frauen zu wenig vielversprechend.

Auch die Epilepsie-Selbsthilfegruppe hat bisher vom Sponsoringkuchen nur wenig abbekommen. Die Gruppe mit ungefähr 80 regelmäßigen TeilnehmerInnen und 400 Interessierten hat immer wieder versucht, Sponsorpartner aus der Pharmaindustrie zu bekommen, doch ohne wesentlichen Erfolg. Der Grund dafür liegt jedoch nicht im grundsätzlichen Desinteresse der Firmen. „Die Unternehmen geben gesponsertes Geld lieber gebündelt an nationale Organisationen“, hat Klaus Göcke, Mitglied der Selbsthilfegruppe, erfahren. Also wird der gegenseitige Deal mit der Deutschen Epilepsievereinigung geschlossen statt mit einer regionalen Gruppe. Und die bekommen dann zwar auch etwas ab, aber das seien nur „ab und zu mal 250 Mark“, klagt Göcke. Die Muttervereinigung wird dagegen von den Pharmafirmen überrannt. „Die Epilepsievereinigung bekommt so viele Angebote, daß sie sogar ablehnen muß“, weiß Göcke. Denn beim Sponsoring ensteht bei Einnahmen der Projekte über 60.000 Mark eine Steuerpflicht.

Die Angst, möglicherweise von Chemiegiganten vereinnahmt zu werden, hat die Organisation jedoch nicht: „Es gibt keine Berührungsprobleme“, so Göcke, der auch im Vorstand der nationalen Vereinigung sitzt. Die Firmen dürften nämlich keine direkte Produktwerbung machen, sie bekämen keine Adressen von PatientInnen. Auf den Infoheften der Epilepsievereinigung steht dann lediglich: „Die Parke Davis GmbH hat den Druck dieses Faltblattes unterstützt.“

Einen kleinen Sponsoring-Erfolg kann der Verein Frauenselbsthilfe für das Autonome Mädchenhaus vorweisen. 20.000 Kneipen- Postkarten, die auf das Mädchenhaus mit Telefonnummer und Spendenkontonummer aufmerksam machen, wurden von der Eiskette Eis-Henning und der Familienpflege-Vermittlung gedruckt. Kostenpunkt: 2.500 Mark. Als Gegenleistung zeigt die Karte das Eis- Henning-Logo und den Hinweis, daß die Aktion von der Eisfirma und der Familienpflege-Vermittlung finanziert wurde. Nach Ansicht von Reinhard Lang von der Arbeitsstelle Fundraising und Sozial-Sponsoring hat das Mädchenhaus die Möglichkeiten, die Sozial- Sponsoring bietet, „optimal“ genutzt: Die Aktion ist in die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins eingebunden und nicht allein darauf beschränkt, finanzielle Mittel zu beschaffen. Und: Die Zielgruppen des Mädchenhauses und die Sponsoren passen zueinander. Reinhard Lang: „Eis-Henning kann mit einem Imagegewinn, zumindest aber mit einem Aha-Erlebnis rechnen, die Familienpflege-Vermittlung informiert potentielle Kundschaft über ihr Angebot.“ Julia Naumann

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