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Gut gepöbelt

Häßlich, unverschämt und ab heute 50 Jahre alt: David Letterman ist Gott, behauptet nicht nur  ■ Andrea Böhm

Älter zu werden versetzt ihn in Angstzustände. Was bei ihm nicht viel heißt, weil er ständig Angst hat. Angst vor dem Absturz bei den Einschaltquoten; Angst davor, langweilig zu sein, eine Pointe zu verpatzen oder an irgendeinem apokalyptischen Tag herauszufinden, daß die Leute seine Show eigentlich nie gemocht haben. Selbstbewußtsein ist keine Eigenschaft, die David Letterman für sich beansprucht – obwohl er mindestens 14 Millionen Dollar im Jahr verdient, die markanteste Zahnlücke und nach wie vor die beste Talkshow im US-Fernsehen hat. Heute wird er 50 Jahre alt – und fühlt sich keinen Deut besser und schöner. Nicht einmal der Umstand wird ihn trösten, daß man in Germany einen Grimme-Preis allein für den peinlichen Versuch bekommt, ihn nachzumachen. Ein Sakrileg, denn „Letterman ist Gott“, wie man auf der Homepage eines seiner Fans nachlesen kann.

Daß er sich mit gewöhnlichen irdischen Jobs nicht abfinden würde, bewies er gleich nach dem College: Als Wetteransager beim Radio verkündete er imaginäre Überschwemmungen in imaginären Städten. Die absehbare Kündigung führte ihn auf den rechten Weg: Erst schrieb er Dialoge für TV-Komödianten, wurde dann selbst einer, kletterte schließlich mit seiner eigenen „Late Show“ auf den begehrten Sendeplatz gleich nach der „Tonight Show“ von Johnny Carson, dem Übervater der Branche. Carson hatte ihn längst zu seinem inoffiziellen Nachfolger gekürt, doch die Chefs bei NBC zogen seinen hausbackenen Dauerkonkurrenten Jay Leno vor. Letterman wanderte zu CBS und schreibt seitdem dort Fernsehgeschichte: Unvergessen der Auftritt von US-Vizepräsident Al Gore, der mit Hammer und Schutzbrille demonstrierte, wie man entsprechend den Bundesverwaltungsvorschriften einen Amtsaschenbecher in nicht mehr als 18 Teile zerdeppert. Oder das Interview mit einem 5jährigen Wunderkind (IQ von 120), das zum unbändigen Stolz seiner Eltern die Umrisse aller Bundesstaaten in Käse- Scheibletten beißen konnte.

Dabei verzichtet Letterman auf eine typisch amerikanische Eigenschaft: „Nice“ sein will er nicht, wohl aber respektlos und unberechenbar. Zu den Zielscheiben seiner verbalen Hiebe zählen Bill Clinton, OJ Simpson, Michael Jackson oder zuletzt die Suizid- Jünger der „Heaven's Gate“-Sekte. „Die haben ihre ganzen Waffen auf der Erde gelassen. Wahrscheinlich hätten sie die im Mutterschiff am Metalldetektor nicht vorbeigekriegt.“

Mit seinem Markenzeichen hat er sich allerdings auch in seine größte Krise manövriert: Als Moderator der Oscar-Verleihung vor zwei Jahren machte er sich über die Schwarzeneggers und Sarandons lustig, als säßen sie in seinem Studio – und verstieß damit gegen ein ungeschriebenes Gesetz. Die versammelten Egos wollen bei dieser Zeremonie nicht auf den Arm genommen, sondern auf die Bühne gerufen werden, um mit Pathos in der Stimme ihr „Ich danke Gott, meiner Mutter und dem Produzenten“-Sprüchlein loszuwerden. Seitdem ist Lettermans Image des überdrehten, aber treffsicheren Talkshow-Königs angekratzt. Im gnadenlosen Wettkampf um Quote haben ihn Jay Leno und Ted Koppel mit seinem Polit-Magazin „Nightline“ in der letzten Zeit des öfteren überholt. Was die Laune des wahren Meisters nicht gerade verbessert. Aber, wie gesagt: Letterman ist Gott – und Gott kann auch mal ein paar schlechte Tage haben.

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