: 5.000 Kinder gefährdet
■ Der Verein „SeelenNot“will den Kindern psychisch Kranker helfen
Ein auffällig gewordener sechsjähriger Junge wird ins Universi-tätskrankenhaus Eppendorf (UKE) gebracht. Er will auf keinen Fall nach Hause zurückkehren. Nach einem Gespräch mit den Ärzten stellt sich heraus, daß sein manisch depressiver Vater gerade die Wohnung demoliert und seine tablettenabhängige Frau verprügelt hat. Der Junge ist durcheinander: Einerseits will er seine Mutter nicht allein lassen, andererseits hält er es daheim nicht mehr aus.
So oder ähnlich klingen die Beispiele aus dem Stationsalltag der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum. Christiane Deneke, Ärztin am UKE, hat jetzt auf dem Kongreß „Brennpunkte in der Psychiatrie“im CCH ein Projekt für Kinder vorgestellt, deren psychische Gesundheit gefährdet ist. „SeelenNot“– ein Verein zur Unterstützung von Familien mit kranken Eltern will unter anderem eine psychotherapeutische Ambulanz aufbauen.
In der Hansestadt leben etwa 5.000 Kinder in Familien, in denen mindestens ein Elternteil unter einer Psychose oder schweren Neurose mit Depressionen, Ängsten und Zwangsvorstellungen leidet. Aufgrund der seelischen Not der Eltern werden viele Kinder vernachlässigt und isoliert. Bei rund einem Viertel der Nachkommen von Schizophrenen besteht zudem ein hohes Risiko für eine psychische Beeinträchtigung. Etwa neun Prozent leiden später selbst an Schizophrenie. Ebenfalls neun Prozent der Kinder depressiver Eltern entwickeln als Heranwachsende endogene Depressionen.
Der Verein „SeelenNot“will einen präventiven Beitrag dazu leisten, neben der psychiatrischen Behandlung der Erwachsenen frühzeitig ein Auge auf deren Söhne und Töchter zu haben, um der Überforderung aller Beteiligten vorzubeugen und den Familienzusammenhang zu stärken.
„Frauen mit Wochenbettpsychosen, die anfangs nicht in der Lage sind, den Säugling zu versorgen, werden oft von ihrem Neugeborenen getrennt“, sagt Christiane Deneke, „dabei wäre es besser, Mutter und Baby gemeinsam stationär aufzunehmen, um einer Traumatisierung des Kindes durch die Trennung vorzubeugen.“Der Verein will sich daher auch für eine spezielle Tagesklinik stark machen, die von den Kassen finanziert werden soll.
Mit dem von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde veranstalteten Kongreß wollten die rund 1.200 Teilnehmer in der vergangenen Woche eine Brücke zwischen den kranken Menschen und der Öffentlichkeit bauen.
Lisa Schönemann
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