■ Bonn scheut die Verantwortung in Bosnien-Herzogewina
: Angst vor der eigenen Courage

Ein deutscher Diplomat als höchster internationaler Repräsentant in einer Krisenregion – vor einigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Daß Michael Steiner, der bisherige Stellvertreter des Schweden Carl Bildt, von vielen Bürgern Bosnien-Herzegowinas und der wichtigsten Garantiemacht für das Friedensabkommen von Dayton, den USA, für diesen Posten erwünscht ist, müßte eigentlich die Herzen der Bonner Regierungsriege höher schlagen lassen. Doch ausgerechnet Bonn hat die Kandidatur des erfolgreichen Diplomaten blockiert, der das Ansehen der deutschen Diplomatie verbessern konnte.

Das außenpolitische Ansehen Deutschlands war noch vor wenigen Jahren im ehemaligen Jugoslawien auf einem Tiefpunkt angelangt – nicht nur aufgrund der serbischen Propaganda, das wiedervereinigte Deutschland sei ein Viertes Reich. Auch in Frankreich und Großbritannien ist die Anschuldigung, Deutschland habe mit der Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien den Krieg in Jugoslawien angeheizt, oftmals wiederholt worden.

Daß es mit Hans Koschnick und Michael Steiner gelang, das Mißtrauen abzubauen, ja sogar die deutsche Politik glaubwürdig als Friedenspolitik zu präsentieren, kann mit Fug und Recht als außenpolitischer Durchbruch bezeichnet werden. Sicherlich gibt es auch nachvollziehbare Gründe für die Scheu Bonns, die Verantwortung in Bosnien-Herzegowina zu übernehmen. Denn das Abkommen von Dayton droht zu scheitern. Nach wie vor haben dort jene Personen und Gruppen die Macht, die den Krieg mit dem Ziel der Aufteilung des Landes geführt haben. Weiterhin sind die Kriegsverbrecher auf freiem Fuß. Bei einem Scheitern des Abkommens von Dayton, so die offensichtliche Befürchtung Klaus Kinkels und Helmut Kohls, würde ein exponiertes Deutschland erneut verantwortlich gemacht.

Das könnte tatsächlich passieren. Aber die Erfahrung zeigt auch, daß nur eine große Anstrengung, nur ein geschlossenes und hartes Auftreten der internationalen Gemeinschaft den Friedensprozeß in Bosnien- Herzegowina vorwärts bringen. Trotz der Widerstände aus Frankreich und Großbritannien wollen die USA wieder Initiative zeigen. Indem Kinkel und Kohl sich aus der Verantwortung stehlen wollen, wird so das Washingtoner Engagement gedämpft. Die Angst vor der eigenen Courage ist dem Ziel der Friedenssicherung nicht dienlich. Erich Rathfelder