: "Ich dachte, mich trifft der Hammer"
■ Kronzeuge im Prozeß gegen 16 Polizisten hat weitere Anklagevorwürfe bestätigt. Brutalität und Schläge im Ausländerwohnheim, Fußballstadion und Lokal. Verteidigung will ihn als unglaubwürdig darstellen
Egal ob es Skinheads, Fußballfans, rumänische oder vietnamesische Staatsbürger waren: Festgenommene Personen, die dem 1. Zug der Direktionshundertschaft 6 in die Hände fielen, hatten offenbar nichts zu lachen. Im Prozeß gegen 16 Polizisten wegen Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt hat der Kronzeuge Christian M. am gestrigen vierten Verhandlungstag weitere Vorwürfe der Anklageschrift im Kern bestätigt.
Bei einem Einsatz in einem Ausländerwohnheim im Oktober 1993 hatte sich ein einer Straftat verdächtigter Rumäne in einer Damentoilette eingeschlossen. Wie der Kronzeuge gestern berichtete, sei ein Kollege auf das Klo der Nachbarkabine geklettert und habe einem untenstehenden Kollegen mit den Worten: „Er kommt“ bedeutet, daß der Rumäne aufgeschlossen habe. Daraufhin habe der untenstehende Polizist Carsten P. so heftig gegen die Tür getreten, daß der Rumäne eine blutende Wunde an der Nase erlitt.
Bei einem Fußballspiel zwischen FC Union und Hertha-BSC- Amateuren in Ostberlin hätten einige seiner Kollegen die Fans provoziert. „Guck mal, ein Ossi“, „Der sieht ja aus wie ein Lappen“, soll unter anderem gefallen sein. Ein sich beschwerender Fan sei von dem Beamten Stefan R. zu Boden geschlagen worden.
In einem Lokal am Müggelsee am Himmelfahrtstag 1994 wurde ein Gast mit dunkler Hautfarbe von vermutlich rechten Jugendlichen mit einem Bierkrug beworfen. Die Gruppe wurde vom 1. Zug festgenommen. Wieder war es nach Angaben des Kronzeugen der Beamte Stefan R., der eine festgenommene Person in den Schwitzkasten genommen und mehrfach ins Gesicht geschlagen habe.
Auch bei ganz normalen Überprüfungen sei es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen. Bei einer Fahrzeugkontrolle hätten mehrere Kollegen Whiskeyflaschen in die eigene Tasche gesteckt, die zuvor bei einem Vietnamesen beschlagnahmt worden waren.
Die Strategie der Verteidigung zielte gestern wieder darauf ab, den Kronzeugen als unglaubwürdig darzustellen. Bei der Vernehmung zu dem Faustschlag beim Fußballspiel stellte sich heraus, daß Christian M. zwei Beamte beschuldigt hatte, die laut Dienstplan gar nicht hätten dabeigewesen sein können, weil sie freigehabt hätten, monierte die Verteidigung. Amtsrichter Hagen Sendt versuchte den Kronzeugen mit den Worten zu beruhigen: „Sie müssen sich nicht verunsichern lassen.“ Auch aus dem Umstand, daß sie den Kronzeugen in der Kantine beim Studium eines „Berges handgeschriebener Papiere“ gesehen hatten, versuchten die Anwälte Honig zu saugen. Ob Christian M. mit diesen Unterlagen sein schlechtes Erinnerungsvermögen aufzufrischen versucht habe, nachdem er am ersten Verhandlungstag „keine Erinnerungen“ gehabt habe, fragte ein Verteidiger. Das Gericht gab sich jedoch mit der Antwort des Kronzeugen zufrieden, es habe sich um die in dem Prozeß gemachten Aufzeichnungen seiner Rechtsanwältin von seiner Aussage gehandelt. Zu dem Einsatz gegen Skinheads Silvester 93/94 wurde gestern ein weiterer Betroffener vernommen. Der 22jährige Unternehmer berichtete, daß er von einem Polizisten grundlos mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt worden sei: „Ich dachte, mich trifft der Hammer.“ Der Prozeß wird kommenden Dienstag fortgesetzt. Plutonia Plarre
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