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Nie einen Rosengarten versprochen

■ betr.: „Die Methadonpolitik ist ge scheitert“, taz vom 21.8. 97

[...] Einer der Experten, die vor über zehn Jahren, vehement gegen Substitutionsprogramme gewettert haben, hat sich zu Methadonprogrammen geäußert. An sich keine bemerkenswerte Tatsache.

Die Kolleginnen und Kollegen, die vor über zehn Jahren einen zweiten Anlauf für die Installation von Methadonprogrammen gemacht haben, müssen sich noch heute gegen die, schon damals bescheuerten, Argumente wehren. Schon damals haben wir nie behaupetet, Methadon löst das Drogenproblem. Vielmehr war und ist es eine notwendige Ergänzung für die Drogenkonsumenten, welche mit Therapien ihre Lebenssituation nicht ändern konnten oder wollten.

Nach zehn Jahren ist das Drogenproblem nicht unverändert. Die Substitution hat Erfolge vorzuweisen. Die Anzahl der Drogentoten ist zurückgegangen, die Anzahl von Infektionen mit dem HI- Virus hat deutlich nicht die Zahl erreicht, die noch vor Jahren vorhergesagt wurde. Auch die Gruppe von Drogenkonsumenten hat sich verändert. Ecstasy als Konsumform wird von der klassischen Drogenhilfe nicht adäquat bedient. Auch hier müssen wir neue Angebote schaffen.

Das nicht alles reibungslos läuft, ist klar. Zu unterschiedlich sind die Angebote in den Bundesländern. Auch wir halten die psycho-soziale Begleitung neben der Substitution für unerläßlich. Doch angesichts leerer Kassen können wir nicht das leisten, was wir gerne möchten. Natürlich wissen wir auch vom Beikonsum wie Alkohol, Kokain und Medikamenten. Dies ist aber immer noch besser als die absolute Verelendung, die bei vielen Betroffenen mit Sicherheit zum Tode geführt hätte.

Ich sehe in der Stellungnahme von Herrn Leune nur das Geschwätz, nach Jahren des Widerstandes gegen eine Weiterentwicklung von Hilfsangeboten doch Recht behalten zu wollen. Dabei haben wir schon damals nicht das versprochen, was er uns heute als Versagen vorhält.

In einer Vermischung verschiedener Ebenen des „Drogenproblems“ bleiben er und sein Verband Alternativen und Vorschläge schuldig. Klappern gehört eben zum Geschäft. Garry Kasper, Geschäftsführer

des Bundesverbandes für

akzeptierende Drogenarbeit und

humane Drogenpolitik e.V.,

Münster

[...] Mit der Einführung der Behandlung mit Methadon, Codein und anderen Opiaten haben Ärzte wieder begonnen, Heroinabhängige zu behandeln und sie sind froh, diese Behandlungsmöglichkeit zu haben. Jetzt werden 10.000 Heroinabhängige mit Methadon und 20 bis 30.000 mit Codein behandelt – fast 50 Prozent aller Heroinabhängigen. Die Behauptung, nahezu allen Drogenabhängigen würden von Ärzten Ersatzmittel aller Art verschrieben, ist undifferenziert und müßte belegt werden. Wegen der restriktiven NUB- Richtlinien werden Privatrezepte ausgestellt, weil nicht alle Ärzte die Nerven haben, sich Regreßforderungen der Krankenkassen entgegenzustellen.

Die Substitution hilft bei der Hälfte der Abhängigen auch ohne psychosoziale Betreuung, ein anderer Teil braucht psychosoziale Betreuung auch noch nach dem Ausschleichen. Deshalb müssen diese Stellen für alle Drogenabhängigen zuständig sein, ob substituiert oder nicht.

Ärztliche Behandlungsstandards sind mittlerweile veröffentlicht: von der Ärztekammer Hamburg, der Bundesärztekammer und der DGDS. Und es gibt tatsächlich Minderjährige, die eine zeitlang mit einem Opiat behandelt werden müssen: heilt die Drogenhilfe alle minderjährigen Herionabhängigen sofort? Diese „Drogenhilfe“, die erst Abstinenz fordert und dann behandelt, erreicht jährlich fünf bis zehn Prozent der Heroinabhängigen. Zwei Prozent brechen die Therapie ab, dauerhafte Abstinenz erreichen zehn bis 20 Prozent derer, die die Therapie begonnen haben: das ist ein Prozent der Gesamtgruppe und weniger als die „Spontanheilungsrate“.

Alle Untersuchungen, die seit mehr als 30 Jahren in vielen Ländern und seit zehn Jahren auch in Deutschland vorliegen, zeigen die Verbesserung des Gesundheitszustandes, die Verminderung der Sterblichkeit und die Verminderung der Kriminalität der mit Methadon behandelten Heroinabhängigen. Es ist doch selbstverständlich, daß diese für den einzelnen günstigen Ergebnisse sich nur in der globalen Statistik über Beschaffungskriminalität und Drogentote niederschlagen können, wenn eine ausreichende Zahl Heroinabhängiger so behandelt wird. In Hamburg, wo durch die großzügigen Zugangsregelungen des Methadonvertrages von 1990 zirka 30 Prozent der Heroinabhängigen mit Methadon behandelt werden, haben laut Polizeibericht '96 die Beschaffungsdelikte um 30 Prozent abgenommen.

Herr Leune sollte wenigstens die Zahlen des FDR richtig zitieren. In der Zeit, in der die Drogenhilfe ohne Konkurrenz des Methadons wirken konnte, haben sich die „Indikatoren des Drogenproblems“ eher verschlechtert. Die Zahlen der Neueinsteiger und der Drogentoten stiegen nach einem ersten Gipfel Ende der 70er Jahre bis Anfang der 90er Jahre europaweit erheblich an. In zeitlichem Zusammenhang mit der Einführung der Behandlung mit Methadon ist dieser Trend gebrochen. Es wäre sicher interessant, nationale drogenpolitische Maßnahmen daraufhin zu untersuchen, ob sie etwas an dem gesamteuropäischen Trend ändern können. Aber es ist bekannt, daß alle Polizeidaten (auch die Zahlen der Drogentoten) sehr von der Untersuchungs- und Verfolgungsintensität abhängen und deshalb nur eine beschränkte Aussagekraft haben, selbst wenn sie nicht nach politischen Wünschen verbogen werden. Zufällige Schwankungen von Jahr zu Jahr als Argument für oder gegen eine bestimmte Behandlung zu verwenden, ist nicht gerechtfertigt. Die Zahl der Neueinsteiger wird wahrscheinlich nicht von den Behandlungsangeboten, sondern von der sozialen Situation der Jugendlichen und von der Verfügbarkeit psychoaktiver Substanzen beeinflußt.

Nach unserem Verständnis ist Heroinabhängigkeit eine chronisch-rezidivierende Krankheit, die meist fünf bis 20 Jahre dauert und durch keine Therapie kurzfristig geheilt werden kann. Im Verlauf der Krankheit treten Phasen von zwanghaftem und kontrolliertem Gebrauch auf, Abstinenzphasen und Rückfälle. In verschiedenen Phasen der Krankheit müssen verschiedene Behandlungs- und Hilfsangebote zur Verfügung stehen: Spritzentausch, Fixerräume, Substitutionsangebote mit verschiedenen Medikamenten (die Erwartung ist sicher falsch, daß bei dieser Krankheit alle Patienten mit einem einzigen Medikament gleich gut behandelt werden können), stationäre und ambulante Entzugsmöglichkeiten und Psycho-Soziotherapien. Wegen dieses Verlaufs ist eine Zusammenarbeit der verschiedenen Hilfs- und Behandlungseinrichtungen notwendig. Die Konkurrenz sollte das Ziel haben, möglichst viele Drogenabhängige möglichst gut zu behandeln. Daß schlechte Behandlungen verbessert werden müssen, gilt für Ärzte und in der Drogenhilfe Tätige. Rainer Ullmann, Vorstandsvor-

sitzender der Deutsche Gesell-

schaft für Drogen- und Sucht-

medizin e.V., Hamburg

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