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Am Ende eine Runde-Sache

Voscheraus Erben scharren in den Startlöchern: Die SPD-Linke schlägt Finanzsenator Ortwin Runde vor, Vahrenholt ist sauer  ■ Von Silke Mertins

Wutschnaubend verließ Umweltsenator Fritz Vahrenholt gestern abend die SPD-Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus. Hatte doch SPD-Schwergewicht und wie Vahrenholt Parteirechter Bausenator Eugen Wagner sich dafür ausgesprochen, daß Finanzsenator Ortwin Runde Nachfolger von Bald-Ex-Bürgermeister Henning Voscherau werden sollte.

Hinter verschlossenen Türen und in geheimer Abstimmung einigten sich der Landesvorstand auf einen neuen Bürgermeisterkandidaten. Bei taz-Redaktionsschluß war noch keine Entscheidung gefallen. Der Linke Ortwin Runde blieb jedoch der einzige Kandidat. Die Parteirechte hatte keinen eigenen Vorschlag. Einzig Landeschef Jörg Kuhbier versuchte bis zuletzt, die Partei auf Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow einzuschwören.

Noch-Bürgermeister Henning Voscherau war bereits nach fünf Minuten wieder draußen – mit einem Blumenstrauß in der Hand wieder daußen. „Sie glauben doch wohl nicht, daß ich mich daran beteilige?“sagte der tief in seinem Stolz verletzte Bald-Ex-Bürgermeister und wies auf die Tür im Kurt-Schumacher-Haus, hinter der der SPD-Landesvorstand seit dem frühen Abend tagte. „Meine Frau und ich gehen heute abend das erste Mal seit Urzeiten ins Theater.“Ob er auch sein Bürgerschaftsmandat niederlegt, habe er, wie so manch anders, noch nicht entschieden. Er plädiere für einen Neuanfang. Und weg war er.

„Ich hoffe, daß nun keine Auseinandersetzungen zwischen links und rechts stattfinden“, hatte Vize-Parteichefin Dorothee Stapelfeldt gestern bereits angedeutet, daß das Machtvakuum die SPD vor eine Zerreißprobe stellen könnte. Schließlich geht es um nichts geringeres als die Richtung, in die die Hamburger SPD in den nächsten vier Jahren marschieren will: Ein Bündnis mit den Grünen oder große Koalition.

Wirkliche Alternativen zu Finanzsenator Ortwin Runde gab es nicht. Der 53jährige Ostfriese, ein ebenso schlauer wie erfahrener SPD-Politiker mit Hausmacht, war schon lange Voscheraus Gegenspieler im Senat. Ein Mann mit schief sitzenden bunten Krawatte zum gestreiften Hemd, der seine ParteikollegInnen gerne mal knufft und noch lieber über seine eigenen Scherze lacht. Will er sich um eine Antwort drücken, redet Runde auf sein Gegenüber solange ein, bis man die Frage vergessen hat. Jenseits der Mikros aber können seine Bemerkungen beißend, gnadenlos und zielgenau sein.

Galt Runde vor zehn Jahren noch als unscheinbar, hat er sich inzwischen als Finanzsenator einen Namen gemacht. Seit Monaten bereits ist er als Voscheraus Nachfolger im Gespräch. Nur hatte niemand damit gerechnet, daß über einen Thronfolger für Hamburgs „ungekrönten König“so schnell entschieden werden müßte. Erst beim eventuellen Machtwechsel in Bonn in einem Jahr unter Beteiligung eines Bundesminister Voscherau hatte man mit einem Stühlerücken in Hamburg gerechnet.

Dennoch berieten die Parteirechten gestern vor der Vorstandssitzung über einen Gegenkandidaten. Der vom Stamokap-Linken zum rechten Sozialdemokraten mutierte Umweltsenator Vahrenholt ist jedoch auch in den eigenen Reihen umstritten. Der introvertierte Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow ist ein begnadeter Diplomat, aber die geborene Nummer Zwei.

Mit einem rechten Bürgermeister, hatten auch manche Parteilinke geglaubt, sei man eine rotgrüne Koalition leichter hinzukriegen. Ein Linker wäre vielleicht einem Dauergefecht der Rotgrün-Feinde ausgeliefert. Die andere Variante – Runde eben – könnte sich zudem als ein am Ennde teurer Kuhbierhandel erweisen: Im Gegenzug müßte man möglicherweise den Rechten wichtige SenatorInnenjobs überlassen.

Was aber, und diese Ansicht schien sich am gestrigen späten Abend durchzusetzen, zu verschmerzen wäre. Dafür hätte man ja einen linken Regierungschef: Ortwin Runde.

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