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Prozeßauftakt geriet zur Posse

■ Chaos in JVA Blockland bei Massenverhandlung wegen Menschenraub

Alle strengen Vorschriften halfen nicht: Mitten in der Verhandlung klingelte plötzlich – verbotenerweise – das Handy eines Beamten. Ein Verteidiger „schmuggelte“eine wärmende Decke in den eiskalten Saal, und in der ersten Sitzungspause griffen mehrere Angeklagte trotz Polizeibewachung durch die Absperrgitter, um ihre Angehörigen zu begrüßen. So unübersichtlich, wie sich der provisorische Verhandlungssaal erwies, so chaotisch verlief am Mittwoch auch der Prozeßauftakt gegen 16 Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme. Gegen die Beschuldigten wird aus Platz- und Sicherheitsgründen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Blockland verhandelt.

Den Angeklagten kurdisch-libanesischer Abstammung im Alter zwischen 23 und 44 Jahren wirft die Staatsanwaltschaft vor, im Februar 1997 einen Gastwirt verschleppt und von ihm mehrere hunderttausend Mark erpreßt zu haben. Doch zur Verlesung der Anklageschrift kam es am ersten Tag nicht: Die 34 Verteidiger schossen eine ganze Breitseite von Anträgen ab, unter deren Ansturm die Verhandlung vorerst vertagt wurde.

Dem Vorsitzenden Richter war es bis dahin trotz mehrfacher Versuche nicht gelungen, die Identität der rund 70 Prozeßbeteiligten festzustellen. Neben den Angeklagten und ihren Verteidigern sollten noch zwei Nebenklagevertreter und sieben Dolmetscher anwesend sein.

Zu Beginn waren es die Angeklagten, die erregt gegen ihre Vorführung aus der Untersuchungshaft in Handschellen protestiert hatten. Einige Verteidiger nannten die Anordnung „völlig überzogen“und sprachen von einem „Schauprozeß“. Lautstark mokierten sie sich über die angeblich „schleppende Vorgehensweise“des Gerichts. Zur Posse geriet der weitere Verlauf, als sich mehrere Verteidiger „den bisher gestellten Anträgen und allen späteren“ihrer Kollegen anschließen wollten, dann aber wieder Rückzieher machten.

Das Gericht gab schließlich dem dringendsten Antrag der Verteidigung statt. Danach sollen bei der Telekom Daten über frühere Telefongespräche eines Zeugen beschafft werden, der angeblich mehrere Angeklagte eingeschüchtert hat. Dem Richter liegt der nächste Antrag vor: Alle Verteidiger halten ihn für befangen.

Hans-Christian Wöste, dpa

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