: taz-LeserInnen-Aktion
■ Wir haben euch unsere Stimme nur geliehen
Nach einem Jahr Rot-Grün fragen wir: Was halten Sie heute von unserer Regierung? Geben Sie Ihre Stimme noch einmal ab. Kurze Antworten an die taz, Stichwort Rot-Grün, Kochstr. 18, 10969 Berlin; Fax: (0 30) 2 51 93 16; E-Mail: lesertaz.de
Wir vermissen seit langem, dass unserer Lebensgemeinschaft dieselben rechtlichen Möglichkeiten offen stehen wie einer gemischtgeschlechtlichen. Vor der Bundstagswahl haben sich SPD und Grüne hierfür eingesetzt, nach der Wahl es in den Koalitionsvertrag aufgenommen, um nun das Projekt immer wieder hinauszuschieben. Glaubt die SPD, sie stünde mit dieser Reform vor den Wählern noch schlechter da als jetzt? Oder zählt sie diese Reform zu den irrealen Plänen, die man ehrlicherweise gar nicht verwirklichen kann und will? Und wo bleiben die Grünen diesseits von Kosovo, Sparen und Umweltschutzmoral? Im letzten Jahr konnten wir Freunde überzeugen, zur Wahl zu gehen. Jetzt fehlt uns ein entscheidendes Argument.
Dr Martin H. Strothjohann, Georg Trettin, Frankfurt
Das, was etwas ältere Semester zwischen den Demonstrationen gegen dieses und jenes sahen, lässt sich nun in der Realität – und das fast täglich – sehen: Dallas. Schicke Anzüge, weiße Zähne und flotte Sprüche. Flugzeuge. Automanager. Medientycoone. Was wollen wir mehr? Es bleiben die heute wie damals spannenden Fragen: Wen verlieren wir durch wen in der nächsten Runde? Wem gelingt es wie, den Spieß noch herumzudrehen? Heulen, Zähneklappern und durchgedrückte Rücken bei den einen, Solidaritätsbekenntnisse und Umarmungen bei den anderen. Das ist doch was. Das freut uns doch. Wie langweilig war es doch mit der CDU.
Holger Sch., Berlin
Ich lehne Schröders Art, diesen ganzen medienorientierten Politikertyp eher ab, doch ich finde, wir dürfen nicht so ungeduldig sein und müssen dieser Regierung eine wirkliche Chance geben und Geduld aufbringen. Hans Eichel war eine gute Wahl; ich hoffe, er kann den Sparkurs noch besser vermitteln. Ich würde wieder Rot und Grün wählen, denn die Rückkehr zur „sicheren“ konservativen Lebensweise halte ich für unmöglich und im Übrigen auch für eine „Flucht nach hinten“.
Ricarda Moufang, Frankfurt
Ich habe Wahlkampf für die Grünen gemacht und den Leuten versprochen, was sich ändern wird, wenn wir mitregieren. Das ist mir heute peinlich, weil nicht einmal versucht wird, das Wahlprogramm umzusetzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Demokratie kaputtzukriegen.
Wolfram v. Specht,
Murrhardt
Was das rot-grüne Debakel zur Ursache hat, ist neben der dominanten neoliberalen Ideologie, die allerorts mit Macht kursiert, ein Mangel an institutionalisierter Demokratie. In der SPD fehlen direktdemokratische Abstimmungsmodi, die vor „Kanzlerbeschlüssen“ Priorität haben! Nur so konnte passieren, dass der Kanzler den linken Flügel seiner Partei ignorieren und das Desaster seinen Lauf nehmen konnte.
Dragan Pavlovic, Nidda
Der Krieg gegen Jugoslawien war der schwerste von Rot-Grün (mit) zu verantwortende Fehler. Konsequenter Einsatz ökonomischer Zwangsmittel (Embargo) hätte – verbunden mit Ausgleichszahlungen an die Nachbarländer für Verluste aus entgangener Handelstätigkeit das Miloševic-Regime durchaus zum Einlenken zwingen können. Nur hätte daran – im Gegensatz zu Krieg und Wiederaufbau – niemand verdient. Zweifelsohne auch Verhandlungen, positive Ansätze und Erfolge wurden davon leider überschattet. Als Grüner kann ich den Tod unschuldiger Menschen nicht mit dem zynischen Begriff Kollateralschaden bemänteln.
Markus Strobl, Berlin
Diese SPD ist nicht sozial. Diese Grünen sind nicht (mehr) ökologisch. Ich wähle zukünftig weder rot noch grün (bei der Regierung kann man gleich schwarz wählen; ich sehe keinen Unterschied mehr). Kaum an der Macht, sind alle Versprechungen vergessen – typisch Politiker. Ich habe sie satt!
Helmut Schmitt-Treiber, Coburg
Meine Hoffnungen auf eine sozialdemokratische und grüne Politik wurden etwas enttäuscht. Beide Standpunkte wurden im Tagesgeschäft verwässert. Das Taktieren und oft wenig zielgerichtete Handeln vor allem der SPD wirkt oft unprofessionell, als übe sie noch. Die schweren Schlappen der letzten Landtags- und Kommunalwahlen halte ich dennoch für unverdient. Ich hoffe, dass sie jedoch ihren Zweck erfüllen, dass die rot-grüne Regierung noch einmal über die Werte nachdenkt, mit denen sie ursprünglich angetreten war.
Angelika Rebholz, Berlin
Wer seine sozial-demokratischen bzw. basisdemokratisch-alternativen Wurzeln und Ideale verrät, muss sich nicht wundern, wenn er abgewählt wird. Die WählerInnnen wollten im letzten Jahr einen Politikwechsel und nicht eine Beschleunigung in die falsche Richtung! Geld macht korrupt, regiert aber (leider) die Welt (nicht nur die taz)!
Jürgen Senge, Schwelm
Zwanzig Jahre habe ich gehofft. Und jetzt ist alles im Arsch!
Tomek Walter, Köln
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