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Feministisch-akademische Perle

■ Was Geisteswissenschaft mit Körper zu tun hat: „figurationen“ an der Uni Hamburg

Eine kleine akademische Perle ist in der rauhen Schale der Hamburger Universität herangereift. „figurationen“ heißt die Zeitschrift, die von den Literaturwissenschaftlerinnen Barbara Naumann und Dagmar von Hoff entwickelt worden ist. Dieser Tage erscheint das erste Heft.

Wer sich dessen AutorInnenliste anschaut, reibt sich die Augen: Mit – unter anderen – Judith Butler, Elisabeth Bronfen und Teresa de Lauretis hat internationaler Theorie-Adel der „figurationen“ Beiträge zur Verfügung gestellt. Worum es darin geht, deutet weniger der zwirbelige Zeitschriftenname als vielmehr der Untertitel „gender – literatur – kultur“ an: Hier werden Entwicklungen der Technologie und der Mediengesellschaft, Gedächtniskultur und der jüngste Stand in der Geschlechterdebatte verwoben und wieder auseinandergepflückt.

Mit diesem Programm tritt „figurationen“ die Nachfolge des „Rundbriefs Frauen in der Literaturwissenschaft“ an. Der Rundbrief, das Organ der Arbeitsstelle für Feministische Literaturwissenschaft, war 1997 eingestellt worden: Die Uni hatte für die Besetzung dieses germanistischen Sprengels kein Geld mehr übrig. Naumann und von Hoff, Professorin und Dozentin am Literaturwissenschaftlichen Seminar, wollen mit den „figurationen“ nun auch die Arbeitsstelle wieder zum Leben erwecken.

Damit erhält die Hamburger Germanistik die Chance, einen ihrer wenigen Vorzüge wieder in besseres Licht zu rücken. Denn Hamburg war in den achtziger Jahren eine Hochburg der eben erst entstehenden deutschen feministischen Literaturwissenschaft: Sigrid Weigel, Inge Stephan und Marianne Schuller lehrten im PhilosophInnenturm. Sie kritisierten, dass Frauen in der Literatur wie in der dazugehörigen Wissenschaft bes-tenfalls als Männerphantasien, selten dagegen als selbstständige und kreative Wesen auftauchten.

Weigel entschwand jedoch nach Zürich, Stephan nach Berlin, und der einzige Lehrstuhl, der den Feminismus im Namen trug, konnte erst nach Jahren mühsamen Ringens wiederbesetzt werden. In den „figurationen“ tauchen nun die ehemaligen Hamburger Namen wieder auf: Der deutschsprachige Anteil der AutorInnenschaft wird nicht nur von Stephan und Weigel, sondern auch von Hartmut Böhme und der Weigel-Schülerin Yoko Tawada gestellt.

In den zwölf Beiträgen des ersten Hefts bleibt keine aktuelle Frage des akademischen Zeitgeists unberührt: Die Nullnummer ist eine Allesnummer geworden. Als „Einführung-in“ lesen sich besonders die (nicht übersetzten) Beiträge der US-amerikanischen Gast- und Star-AutorInnen: Teresa de Lauretis rafft mal eben zusammen, was Psychoanalyse und Literatur miteinander zu tun haben (viel), und Londa Schiebinger erklärt langsam, deutlich und zum Mitschreiben, ob der Feminismus die Naturwissenschaften verändert hat. (Antwort: ja, aber noch nicht genug.)

Auch Inge Stephan macht einen großen Wurf, der allerdings eher zu hoch denn weit genug ausfällt. Sie verbindet einen Schweinsgalopp durch die Körperdebatte seit Ende der sechziger Jahre mit der Schrumpf-Analyse eines Texts von Elfriede Jelinek. Der gebotene Zwang zu Knappheit und Verständlichkeit hat bei Stephan zur Folge, dass die Frage, was die Geisteswissenschaften eigentlich mit dem Körper zu schaffen haben, weder im einführenden noch im textanalytischen Teil zu ihrem Recht kommt.

Insgesamt jedoch leistet sich die „figurationen“ einen beeindruckenden Auftakt. Zweierlei bleibt zu hoffen: Dass die geplanten Schwerpunkthefte etwa zu „Frauen und Recht“ und „Cyberfeminismus“ das Niveau halten. Und dass mit dem zu erwartenden Abgang Naumanns nach Zürich die Hamburger Feministische Literaturwissenschaft nicht wieder verwaisen muss. Ulrike Winkelmann

Am 1. Dezember um 18 Uhr wird „figurationen“ im Gästehaus der Uni, Rothenbaumchaussee 34, von den Herausgeberinnen präsentiert. „figurationen“ kostet 28 bzw. (für Studierende) 18 Mark. Zu erwerben ist sie am Institut und bald auch in ausgewählten Buchläden. Oder per Überweisung auf das Konto „B. Naumann – Zeitschrift“. Postbank Hamburg, BKZ 200 100 20, Kto. 432692-202.

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