: Der journalistische Arm der ETA
Wegen „Aufstachelung zum Mord“ sitzt ein spanischer Publizist in U-Haft. Auch ein deutscher Reporter ist angezeigt
MADRID taz ■ Der bereits vor zehn Tagen verhaftete baskische Journalist Pepe Rei wurde vom Gericht endgültig in U-Haft geschickt. Richter Juan del Olmo beschuldigt den Herausgeber der Zeitschrift Ardi Beltza („Schwarzes Schaf“) der Zusammenarbeit mit der bewaffneten Separatistengruppe ETA sowie der Anstiftung zum Mord.
Pepe Rei hatte Ende letzten Jahres ein Video verlegt, in dem unter dem Titel „Journalisten, das Geschäft mit der Lüge“ verschiedene Mitarbeiter großer spanischer Tageszeitungen und elektronischer Medien als „Journalisten im Auftrag des Innenministeriums“ und somit als „Feinde des baskischen Volkes“ denunziert wurden. „Sie werden mit diesem Volk nicht fertig werde“, heißt es am Ende der Kassette. Und die ETA beeilte sich in den letzten Monaten, diesen Worten Taten folgen zu lassen: Seit Erscheinen des Videos haben die Separatisten versucht, vier Journalisten zu ermorden. Zwei davon, Aurora Intxausti von der größten spanischen Tageszeitung El País und Radiosprecher Luis del Olmo, wurden im fraglichen Video besonders herausgestellt.
Intxausti, ihr Ehemann Juan Palomo, Journalist bei einem privaten Fernsehsender, und das gemeinsame Kind überlebten nur dank eines technischen Defektes an der Bombe. Der Sprengsatz war in einem Blumentopf vor der Wohnungstür versteckt. Gegen Luis del Olmo scheiterten insgesamt sieben Mordpläne, das gestanden Mitglieder des vor wenigen Tagen ausgehobenen „Kommando Barcelona“. In der konspirativen ETA-Wohnung wurden mehrere Ausgaben der Zeitschrift Ardi Beltza gefunden.
Die Ermittlungen des Richters Juan del Olmo gehen auf eine Anzeige von vier der im Video gezeigten Journalisten zurück. Zum Kreis der diffamierten Journalisten gehört neben Luis del Olmo, der mit dem Ermittlungsrichter nicht verwandt ist, auch Carmen Gurruchaga, Trägerin des Menschenrechtspreises von „Reporter ohne Grenzen“ und Mitarbeiterin der Tageszeitung El Mundo. Sie zeigte nicht nur Pepe Rei an, sondern auch Ralf Streck, den Spanienkorrespondenten der deutschen Tageszeitung junge Welt. Streck hatte sich das Vertrauen von Gurruchaga, del Olmo und zwei weiteren Journalisten erschlichen, indem er sich als „Mitarbeiter des deutschen Fernsehens“ ausgab: Die vier betroffenen Journalisten gewährten ihm daraufhin ein Interview. Die Aufnahmen wurden später in das Video von Ardi Beltza eingebaut. Eine Stimme aus dem Off beschuldigt dabei Carmen Gurruchaga, die Streck in ihre Madrider Wohnung geladen hatte, die „baskischen Linken“ schlimm zu kriminalisieren.
„Das kommt einem Todesurteil gleich“, sagt Gurruchaga, die nach einem Bombenanschlag gegen ihr Domizil in San Sebastián 1997 das Baskenland verließ und seither in der spanischen Hauptstadt untergetaucht ist.
Pepe Rei sieht das anders. Er habe nicht mit der ETA zusammengearbeitet. Der Herausgeber von Ardi Beltza berief sich vor Richter del Olmo auf die „Meinungsfreiheit“. Die gilt freilich nur für ihn. Wer gegen ihn schreibt, beteilige sich an einer „Verleumdnungskampagne der spanischen Presse“ – behauptet Rei, gegen den ein weiteres Verfahren aus seiner Zeit als Recherchechef bei der mittlerweile verbotenen Tageszeitung Egin anhängig ist. Akten aus seiner Redaktion wurden bei ETA-Kommandos gefunden. Auch Ralf Streck, der nach Ansicht der Anwälte der betroffenen Journalisten ebenfalls bald vorgeladen werden dürfte, macht in seinem letzten Text zum Thema in der jungen Welt eine „Medienhetze“ aus, „die über die taz bis nach Deutschland getragen wurde“.
Nachdem die taz seine Rolle bei der Entstehung des Videos bekannt gemacht hatte, besann sich Streck auf das bei Rei gelernte Handwerk und führte Ermittlungen über die politische Vergangenheit des taz-Spanienkorrepondenten durch – in dessen Heimatstadt. REINER WANDLER
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