: Bremen will Veranstalter knebeln
■ Empörung über Ticket-Verkauf: Konzertveranstalter müssen Karten über KPS-Gruppe verkaufen und fühlen sich von Politikern getäuscht / HVG-Chef versteht die Aufregung nicht
Der umstrittene Verkauf der städtischen Anteile am Ticket Service Center (TSC) an Klaus-Peter Schulenbergs KPS-Gruppe sorgt jetzt für Empörung unter Bremer Konzertveranstaltern. Das ist „Willkür“ und „eine Frechheit“, schimpft Lothar Behncke, der Chef der Konzertagentur ProgrammConcept. Auch sein Konkurrent Bertram Klotz, der Geschäftsführer der Konzertdirektion Schmidt, ist stocksauer: „Was soll man von Politikern und ihren Aussagen halten“, fragt er und fühlt sich durch Äußerungen des SPD-Landeschefs Detlev Albers getäuscht.
In der vergangenen Woche haben Klotz und andere Mieter der Glocke einen Brief des Konzerthauses bekommen. Unter dem spröden Titel „Neue vertragliche Modalitäten im Bereich Ticketvertrieb“ informierte das zur städtischen Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG) gehörende Konzerthaus über Veränderungen im Kartenverkauf. Beim TSC-Verkauf „ist die HVG Verpflichtungen eingegangen, die auch Auswirkungen auf die gewohnten Veranstaltungsabläufe und Servicedienstleistungen unseres Hauses haben“, heißt es da. Demnach werden in der Glocke und anderen Häusern wie der Stadthalle spätestens ab dem 30. Juni ausschließlich Karten über Schulenbergs Computersystem CTS verkauft. Mieter des Konzerthauses, die Karten für ihre Veranstaltungen über ein anderes System vertreiben, sind verpflichtet, trotzdem 30 Prozent der Billets über CTS zu verkaufen.
Bei der Lektüre dieses Briefes hat sich Klotz an Aussagen von Detlev Albers und anderer Politiker-Innen erinnert. Ende Februar hatte Albers erklärt, dass es keine Nebenabreden über Exklusivrechte im Vertrieb von Bremer Veranstaltungen gäbe, und sich dabei auf hochrangige Beamte des Wirtschaftssenators Josef Hattig (CDU) berufen. Klotz will nicht beurteilen, ob der Politiker schlicht nicht informiert war oder vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat. Für skandalös halten er und andere Konzertveranstalter vor allem die 30-Prozent-Quote im Vertrag allemal: „Es muss doch uns überlassen bleiben, wo und wie wir unsere Karten verkaufen.“
HVG-Chef Michael Göbel versteht die Aufregung nicht. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Schulenberg mit den TSC-Anteilen auch Vertriebsrechte für Veranstaltungen in städtischer Eigenregie sowie für Vermietungen erwirbt. Diese Vereinbarung gelte fünf Jahre lang. Auch die Kritik an der Verpflichtung zur 30-Prozent-Quote weist er zurück. „Das Ticket Service Center ist das beste System, und die Veranstalter werden bald freiwillig 80 oder 90 Prozent darüber verkaufen.“ Die Quote sei auch anderswo üblich und bislang noch durch kein hochrangiges Gericht untersagt worden.
Das könnte sich bald ändern. Denn sowohl Klotz als auch Behncke, dessen ProgrammConcept unter anderem Pur, Peter Maffay und Stomp in der Region Bremen veranstaltet, wollen sich nicht an die Quote halten. „In München“, sagt Behncke, „hat ein Gericht diese Praxis zwar bestätigt.“ Doch dort sei das Vertriebssystem in städtischem Besitz. „Bremen hat seine Anteile aber gerade verkauft“, betont Behncke und sieht wenig Chancen, dass der Bremer Vertrag vor Gericht Bestand haben wird.
Aber der Mann hat sowieso wenig Interesse an juristischen Spitzfindigkeiten und gehört wie sein Kollege oder Konkurrent Charlie Born eher zur handfesten Sorte Mensch. „Wir sind 60 Prozent des Marktes in Bremen“, sagt Behncke. Neben anderen Veranstaltern wird auch er zu Schulenbergs größtem Konkurrenten „qivive“ (früher: Start Ticket) gehen, sobald die Firma ihr System an Vorverkaufsstellen aufgebaut hat. Schulenberg, glaubt Behncke, will hundert Prozent des Marktes und „gibt nicht eher Ruhe, bis an Stelle des Rolands sein Denkmal auf dem Marktplatz steht“. Doch noch sei die KPS-Gruppe auf den Umsatz durch Veranstalter wie Behncke angewiesen. „Wenn es uns zu bunt wird, gehen wir nach Oldenburg. Dann gibt es Riverdance, Maffay oder Pur nicht mehr in Bremen.“
ck
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