: Die neue Ära des Wasserstoffs
Von der massenhaften Einführung der Brennstoffzelle profitieren vor allem die Strom-, Gas- und Heizungswirtschaft. Über den Siegeszug der neuen Technik herrscht dabei ein breiter Konsens. Doch die Einführung braucht noch Zeit
Die Brennstoffzelle, darüber sind sich die meisten Energieexperten einig, wird schon in wenigen Jahren die Energieversorgung revolutionieren. „Das ist die Technik des dritten Jahrtausends“, meint Hermann Kuipers vom Shell-Forschungszentrum in Amsterdam. Brennstoffzellen erzeugen Strom aus Wasserstoff und Sauerstoff. Bei diesem kalten Wandlungsprozess fällt auch Wärme an, und als Abfallprodukt entsteht Wasser. Die Zellen können in Kraftfahrzeugen eingesetzt werden, aber auch stationär als Kraftwerke. Fest steht: Schon in kleinen technischen Einheiten übertrifft die Brennstoffzelle die elektrischen Wirkungsgrade konventioneller Systeme. Abhängig von der Betriebstemperatur setzen die Zellen bis zu 65 Prozent des eingesetzten Brennstoffs in Strom um.
Bleibt die Frage: Woher soll der Wasserstoff kommen? Wasserstoff ist zwar auf unserem Globus im Überfluss vorhanden, aber er lässt sich nicht so einfach wie Erdöl oder Gas fördern. „Wasserstoff ist ein Sekundärenergieträger, der erst aufwendig hergestellt werden muss“, sagt Bernd Höhlein vom Forschungszentrum Jülich. Gute Vorsätze haben alle an der Brennstoffzellentechnik interessierten Unternehmen. Ob DaimlerChrysler, Exxon, Shell, RWE oder diverse Gasunternehmen – letztlich wollen sie als Endpunkt der Entwicklung einen möglichst hohen Anteil solar erzeugten Wasserstoffs. Doch vorläufig wird es über längere Zeiträume erst einmal zum Einsatz so genannter Brückentechnologien kommen. Mit anderen Worten: Der Wasserstoff für die neuen Null-Emissions-Autos und die neuen Kleinstkraftwerke im Keller wird mit Hilfe fossiler Energien in chemischen Umwandlern, den so genannten Reformern, gewonnen werden. Diese Geräte trennen die im Erdöl oder Erdgas enthaltenen Wasserstoff- von den Kohlestoffmolekülen ab.
Und weil Wasserstoff per Reformer relativ leicht aus Erdgas gewonnen werden kann, ist es auch kein Wunder, dass die Gaswirtschaft sich für die neue Technik begeistert. So will der in Oldenburg ansässige Energieversorger EWE AG bis 2007 Brennstoffzellen in Serie installieren. Die ersten Geräte will man dort bis Ende 2001 in die Haushalte bringen. Das Gas für den Reformer liefert EWE – so kann das Unternehmen den eigenen Gasabsatz mit dem schrittweisen Ausbau der Brennstoffzellentechnik festschreiben. Und weil alle deutschen Strom- und Gasversorger an einer Verbreitung der stationären Brennstoffzellentechnik interessiert sind, wird der Einsatz als Wärme- und Stromquelle in den nächsten Jahren kommen. „Die stationären Brennstoffzellen werden auf Erdgas angewiesen sein, solange Wasserstoff sich nicht im großen Maßstab aus regenerativen Energiequellen erzeugen lässt“, heißt es in dem neuen Brennstoffzellen Magazin.
Strom aus regenerativen Kraftwerken kann mittels Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff teilen. Auch Biomasse kann in Wasserstoff umgewandelt werden. Die Vision von der solaren Wasserstoffwirtschaft braucht vor allem eins: Zeit. „Wir müssen zunächst das Bewusstsein für eine neue Energiewelt schaffen. Der Umbau wird 50 Jahre dauern“, meint Ferdinand Panik, Leiter des Brennstoffzellen-Projekts bei DaimlerChrysler. Solange die angestrebte nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, also die Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Energiequellen, noch nicht etabliert ist, werden die Öl- und Gasunternehmen ein gutes Geschäft mit der Brennstoffzellentechnik machen. Erst wenn Ökostrom im Überfluss vorhanden ist, macht die zweifache Energieerzeugung mit Wasserstoff Sinn: Sauberer, überreichlich vorhandener Ökostrom erzeugt den Sekundärenergieträger Wasserstoff; der lässt sich speichern und kann bei Bedarf in großem Stil angezapft werden. Doch bis dahin ist es in Deutschland noch ein weiter Weg. MICHAEL FRANKEN
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