: Rückwärts in die 80er-Jahre
Zwei Aktivisten der linken Szene Magdeburgs sitzen seit einigen Wochen wegen Terrorismusverdachts in der JVA Moabit. Breites Bündnis demonstriert heute
In diesen Tagen ist rund um die Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit einiges los. Am Sonntagnachmittag hatten sich dort rund 100 Menschen zu einer von der „Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg“ organisierten Kundgebung versammelt. Heute wird die JVA Zielort einer Demonstration, die von einem Bündnis zahlreicher Antirepressions- und Solidaritätsgruppen zum „Internationalen Kampftag für die Freiheit der politischen Gefangenen“ vorbereitet wird.
Das neu erwachte Interesse an dem Knast ist kein Zufall. Seit einigen Wochen sind dort Daniel Winter und Marco Heinrichs inhaftiert. Die beiden jahrelangen Aktivisten der linken Szene Magdeburgs wurden am 27. November 2002 festgenommen und landeten nach einer wochenlangen Odyssee durch verschiedene Gefängnisse in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen in der JVA Moabit.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft ihnen vor, genau voreinem Jahr, in der Nacht zum 18. März 2002 Sprengstoffanschläge auf das Gebäude des Landeskriminalamtes (LKA) und ein Dienstfahrzeug des Bundesgrenzschutzes in Magdeburg verübt zu haben. Konkret wurde damals eine Brandflasche auf ein Fenster des LKA geworfen, wobei geringer Sachschaden entstand. Der Versuch, den Wagen des Bundesgrenzschutzes in Brand zu setzen, scheiterte ebenfalls. In einem in der autonomen Szenezeitung Interim abgedruckten Bekennerschreiben übernahm ein „Kommando Freiheit für die politischen Gefangenen“ die Verantwortung für die missglückten Anschläge.
Die BAW macht Heinrichs und Winter für die Anschläge verantwortlich und ermittelt gegen sie und eine unbekannte Anzahl weiterer Personen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Doch die Beweise seien dürftig, heißt es bei der Soligruppe. Während die Ermittlungsbehörden behaupten, den Fingerabdruck von Winter auf dem Postpaket gefunden zu haben, in dem sich der Brandsatz befunden haben soll, haben sie gegen Heinrichs nichts in der Hand. „Mein Mandant wurde nur deshalb festgenommen, weil er mit Winter in Kontakt stand“, erklärte sein Rechtsanwalt Sven Lindemann der taz. Die Art der Ermittlung erinnerte den Berliner Juristen an das Vorgehen gegen linke Zusammenhänge in den 80er-Jahre in Westdeutschland.
Auch das Berliner „Bündnis 18. März“ will mit der heutigen Demonstration an die 80er-Jahre erinnern. „Damals wurden Knast und Repression in breiten Kreisen der Gesellschaft thematisiert und für die Abschaffung des von Juristen als Gesinnungsparagraf bezeichneten 129 a Strafgesetzbuch traten auch liberale Kreise ein“, erklärte Bündnissprecherin Petra Steinert.
PETER NOWAK
Die Demonstration beginnt heute um 17 Uhr an der U-Bahnhof Turmstraße und endet an der Justizvollzugsanstalt Moabit
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