„Das ist nicht aus zweiter Hand“

WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn über die Bedingungen der Irak-Berichterstattung

taz: Herr Schönenborn, auch ein WDR-Korrespondent ist bei den US-Truppen „eingebettet“. Wie unabhängig kann Ihr Mann überhaupt berichten?

Jörg Schönenborn: Es bleibt ein Dilemma: Das ist nicht die freie Berichterstattung, wie wir uns das vorstellen. Aber es handelt sich um erfahrene Kollegen, die Krisen- und Kriegssituationen kennen. Wir können uns auf ihr sicheres Auge und ihre Einschätzungen verlassen. Das klassische Rezept in solchen Situationen heißt: im Bericht sagen, wo Beschränkungen liegen, was man sagen darf und was nicht.

Ist unter solchen Bedingungen unabhängiges Recherchieren denn überhaupt möglich?

Für Korrespondenten vor Ort sicher nicht immer, aber das ist ja auch Aufgabe der Redaktionen zu Hause. Unsere Stratgie ist es, Korrespondenten reihum die gleichen Fragen beantworten zu lassen, ihre Antworten mit möglichst vielen ausländische Quellen – auch Fernsehsendern – abzugleichen und unseren Zuschauern dann die Summe dessen zu präsentieren, was all diese Quellen liefern.

Dennoch: Die direkt bei den Truppen stationierten Korrespondenten berichten gewissermaßen doch aus zweiter Hand.

Das ist nicht aus zweiter Hand. Sondern ein sehr schmaler Blick, meistens aus Orten, wo man – wie auf einem Flugzeugträger – wenig Bewegungsfreiheit hat. Und man muss sich bei der Bewertung darüber klar sein, dass es nur ein kleines, beschränktes Blickfeld ist. Aber dort kann man dann auch genau hinsehen.

Mit welchen Sendern kooperiert der WDR aktuell?

Wir haben seit vielen Jahren mit CBS einen Vertrag, mit ABC ist eine intensive journalistische Kooperation vereinbart. CNN können wir benutzen, und auch mit al-Dschasira haben wir die Kontakte in den letzten Wochen vertieft.

Welche Rolle kommt al-Dschasira genau zu?

Es ist zumindest eine Gegenstimme: In dem Momant, wo al-Dschasira ganz andere Informationen verbreitet, als beispielsweise CNN das tut, weiß man, dass die Dinge zumindest nicht eindeutig sind. Ich weiß nicht, ob sich al-Dschasira wie im Fall Ussama Bin Laden auch als Überträger von Botschaften einsetzen lässt, das muss man sehen. Aber der Sender bürgt dafür, auch den arabischen Blick auf die Dinge zu verstehen. Das ist schon mal eine Bereicherung.

Weniger bereichernd waren die Reibereien zwischen WDR und SWR im Vorfeld, wer bei der ARD das Sagen hat.

Das waren keine Reibereien, das war gesunder Wettbewerb. Wir sind gut aufgestellt, das entscheidende Dreieck heißt „ARD aktuell“ mit der „Tagesschau“ in Hamburg und die Korrespondenten von SWR und WDR. Wir wollen, dass es im Zweifel eher zu viele Korrespondenten gibt, die berichten können, als zu wenige.

Ihr Fazit: Wird es – bei allen Einschränkungen – eine glaubwürdige Berichterstattung aus dem Irak geben?

Politisch sind wir sattelfest und gut geübt. Was die militärischen Details angeht, da wird vieles im Verborgenen passieren. Und es kann Tage und manchmal auch Wochen dauern, militärisches Handeln richtig einzuordnen. Aber hier kenne ich keine Strategie, die das verhindert.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG