piwik no script img

In Berlin gibt es keinen Blüm

Kein Widerstand in Berliner CDU gegen Kopfpauschalen und andere Herzog-Vorschläge. Am 15. Oktober kommt Angela Merkel zur Regionalkonferenz

In der Union brodelt es. Heiner Geißler und Norbert Blüm sehen die christlichen Grundsätze in Gefahr. Friedrich Merz jubelt über die „Entsozialdemokratisierung der CDU“. Nur in Berlin gibt es keinen Streit über die Vorschläge der Herzog-Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme.

„Ich begrüße ausdrücklich, dass man sich dazu durchgerungen hat, die verteilungspolitischen Systeme aus den Versicherungen herauszunehmen“, erklärt Mario Czaja. Nach den Herzog-Plänen zahlt künftig jeder Bürger die gleiche Prämie für seine Krankenversicherung. Czaja glaubt, die Mehrheit der Landespartei stehe hinter dieser Position. Zurzeit veranstaltet die Union in allen Kreisen Diskussionsrunden zum Thema „soziale Sicherungssysteme“. Dabei zeige sich, dass „allen klar ist, wir müssen was ändern“, berichtet der Generalsekretär Gerhard Lawrenz. Kein Wunder, schließlich war die Berliner Union bereits in der Herzog-Kommission vertreten. Axel Ekkernkamp, CDU-Mitglied und ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Marzahn, beriet mit dem Altbundespräsidenten.

Sollte sich in der Berliner Union doch noch Widerstand regen, kann er sich am 15. Oktober artikulieren. An diesem Tag gibt es eine Regionalkonferenz mit der Bundesvorsitzenden Angela Merkel. Am 1. November möchte der Landesverband auf einer eigenen Veranstaltung einen Beschluss über die sozialen Sicherungssysteme fassen, der auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember eingebracht wird.

Die politische Konkurrenz meint, das CDU-Kopfpauschalen-Modell hätte für viele Berliner erhebliche finanzielle Nachteile zur Folge. Sie müssten – unabhängig vom Einkommen – monatlich rund 260 Euro für ihre Krankenversicherung aufbringen, weitere Kosten stünden für die Pflegeversicherung und die Absicherung für Zahnersatz und -behandlung an. Deutlich mehr als die Hälfte der Berliner müssten mehr zahlen als bisher, sagte gestern die Sprecherin der Senatssozialverwaltung, Roswitha Steinbrenner. Angesichts des niedrigen Einkommensniveaus in der Stadt sei dies logisch. Das CDU-Modell breche mit dem Prinzip der solidarischen und paritätischen Krankenversicherung. Zudem sorge es für keine strukturellen Änderungen bei den Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Im Klartext heißt das: Das Kartell, das Ärzte, Apotheker und Pharmaindustrie zu Lasten der Versicherten errichtet haben, will die CDU nicht antasten.

Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Elfi Jantzen kritisierte die CDU-Pläne scharf. „Wir haben in Berlin überdurchschnittlich viele Geringverdiener.“ Diese würden besonders betroffen. Auch in Zukunft müsse gelten: „Jeder zahlt nach seiner Leistungsfähigkeit.“

R. ALEXANDER, R. ROTHER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen