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Statt Kopfpauschale ein Kinderbonus

Edmund Stoiber möchte den Sozialstaat gern erhalten und lehnt daher die Pläne der Herzog-Kommission ab

MÜNCHEN taz ■ Sachorientiert und fair solle die Diskussion in der Union ablaufen, betonte Edmund Stoiber gleich mehrmals, als er gestern das Papier der CSU zur Reform des Sozialstaats vor der Presse vorstellte. Das ist schön zu hören, dachten da wohl viele im Saal. Nur, fragte schließlich ein Journalist Bayerns Ministerpräsidenten, „worüber wollen Sie mit Frau Merkel eigentlich noch diskutieren?“. Gute Frage. Denn fast alles, was Stoiber vorstellte, steht in krassem Gegensatz zu den CDU-Plänen.

So lehnt Stoiber die geplante Kopfpauschale zur Krankenversicherung rundheraus ab. Der CSU-Vorsitzende hält es „für kaum realisierbar“, dass die Bürger in den kommenden zehn Jahren über die Kopfpauschale gut 34 Milliarden Euro zusätzlich in die Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen, wie es die Pläne der Herzog-Kommission vorsehen. Zudem sei noch „relativ unklar“, wie Ausgleichszahlungen für Wenigverdienende über Steuermittel finanziert werden sollten. Letztlich, so Stoiber, sei die Kopfpauschale sozial ungerecht, weil sie Wohlhabende spürbar entlaste, dafür aber „große Teile der Bevölkerung überfordert sind“. Daher hält Stoiber „das jetzige System sozial gestaffelter Beiträge zur Krankenversicherung für ebenso sozial gerecht wie reformfähig“.

Dass die CSU den von der CDU und der Herzog-Kommission geplanten Systemwechsel bei den Sozialsystemen mal eben komplett vom Tisch wischt, stört Edmund Stoiber offenbar herzlich wenig. Am Ende würden sich die Unions-Parteien schon auf einen Kompromiss einigen, verkündete er achselzuckend, ohne auch nur mit einem Wort darauf einzugehen, wie eine solche Annäherung bei derart weit auseinander liegenden Standpunkten vor sich gehen könnte. Den parallel laufenden Werbefeldzug von CDU-Chefin Angela Merkel über die Regionalkonferenzen kommentierte Stoiber lapidar mit den Worten: „Es ist das gute Recht der CSU, dass sie sich positioniert.“ Unausgesprochen schwang da der Zusatz durch den Raum: „Aber wir lassen es jetzt mal darauf ankommen.“

Der Ministerpräsident sucht die Machtprobe, so viel steht seit gestern fest. Er weiß, dass die Kopfpauschale einem Großteil der Bevölkerung nicht zu vermitteln ist, und nutzte erneut die Gelegenheit, die besondere Verantwortung der CSU als „Partei der kleinen Leute“ zu betonen. Wenn Stoiber dann noch den Sozialstaat „als das einigende Band in Deutschland“ beschwört, das „viel mehr als in anderen Ländern für den Zusammenhalt der Gesellschaft“ sorgt, wird klar: Der Kampf gegen einen radikalen Umbau der Sozialsysteme ist für ihn eine Grundsatzfrage.

Eigene Modelle für die Sozialreformen will die CSU erst am 17. November vorlegen, dafür wartete Stoiber gestern bereits mit konkreten Vorschlägen für die Rentenreform auf – die ebenfalls von den Positionen der Herzog-Kommission abweichen: Statt Kindererziehungszeiten auf die spätere Rente anzurechnen, will die CSU für jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr einen Bonus von 50 Euro einführen. Um diesen Betrag sollen die monatlichen Rentenversicherungsbeiträge der Eltern sinken.

Zudem solle generell eine Belastungsgrenze für die Rentenversicherung bei 20 Prozent des Einkommens gezogen werden. Außerdem lehnte Stoiber die geplante Minderung der Witwenrenten ab, weil Frauen dann nicht mehr frei entscheiden könnten, ob sie, statt zu arbeiten, lieber zur Kindererziehung zu Hause bleiben wollen.

JÖRG SCHALLENBERG

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