piwik no script img

Sprechblasen

„Bild“ fordert Schwarzeneggers in der Politik und verliert die parlamentarische Demokratie etwas aus den Augen

Franz Josef Wagner ist die Stimme der Vernunft in Bild. Das ist eine seltene Erkenntnis – und eine, die nur ausnahmsweise gültig ist. Gestern zum Beispiel. Da schreibt er an Arnold Schwarzenegger, der gerade zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde: „Wäre ich Kalifornier, hätte ich Sie nicht gewählt.“ Sehr sympathisch.

Und zugleich ein Zeichen für gelebte Vielfalt in Bild. Denn der Seite-1-Aufmacher der Ausgabe konstatiert: „Statt Blabla spricht er Klartext! Er hat einen starken Willen! Amerika glaubt an ihn!“ Bei diesem Ton ist man direkt froh, dass Peter Boenisch (eigentlich war das ja die Stimme der Vernunft in Bild) in seiner „Analyse“ unter der Überschrift „Deutschland braucht viele Schwarzeneggers“ feststellt, dass Deutschland schon mal einen Österreicher hatte, der „genug Unheil angerichtet“ hat.

Dennoch stößt er unverfroren in ein Horn namens Politkverdrossenheit und knüpft damit nahtlos an den Bild-Aufmacher von Dienstag an. „Hört auf zu reden! Macht was!“, hieß es da, und Politiker von Stoiber bis Schröder waren mit einer Sprechblase versehen, in der nur viele „Blablas“ standen. Weil derartige Vergleiche immer problematisch sind, sei hier nur am Rande erwähnt, dass bereits Adolf Hitler gegen das Parlament der Weimarer Republik hetzte, indem er es als „Quasselbude“ titulierte.

Schwarzenegger gilt Bild (FJW ausgenommen) als Macher, als Mann für „unkonventionelles Denken“, mit der „Kraft für Visionen“. Wer allerdings seinen Wahlkampf auch nur am Rande verfolgt hat, dem müsste aufgefallen sein, dass er inhaltlichen Diskussionen über sein politisches Programm konsequent aus dem Weg gegangen ist. Aber was soll’s. Ein Macher macht eben und diskutiert nicht lange.

Die „Join Arnold“-Kampagne war erfolgreich, weil Amerikaner den Muskelberg aus der Steiermark charismatisch finden. Und weil er gegen einen Gray Davis antrat, der für all das stand, was der kleine Mann an der Politik so verabscheut: Bürokratie auf der einen und Lobbyismus auf der anderen Seite. Außerdem galt er als farblos. Bei genauer Betrachtung fordert Bild also lauter kleine Populisten, die markige Sprüche auf Lager haben – oder hat Schwarzenegger schon irgendetwas unter Beweis gestellt? Er ist medienwirksam, sonst nichts.

Da wirkt es wie ein Witz der Geschichte, dass der amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman Schwarzeneggers Wahl nicht mehr erlebt hat. Er starb vergangenen Sonntag, zwei Tage vorher, und kritisierte genau das, wofür Arnold eigentlich steht: für eine Medienlandschaft, die tiefgründige Vermittlung von Inhalten verhindert, zugunsten des Showbusiness.

Genau wie Bild. HEIKO DILK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen