: Lobby-Front der Städte erfolgreich
Konzerne sollen mehr Gewerbesteuer zahlen, Selbstständige etwas weniger. Kommunen bekommen zusätzliche Mittel.Die Fraktionen von SPD und Grünen setzen Änderungen an der Gemeindefinanzreform von Finanzminister Hans Eichel durch
aus Berlin HANNES KOCH
Der Druck im rot-grünen Kessel ist gestern merklich gesunken. Nach starker Kritik der Fraktionen von SPD und Grünen am Kabinettsentwurf zur Gewerbesteuer hat die Bundesregierung einen Kompromiss akzeptiert. Im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sollen Konzerne stärker zur Steuerzahlung herangezogen, der Mittelstand hingegen etwas entlastet werden.
Der Kompromiss sieht vor, dass bei Konzernen künftig bestimmte Kosten – Leasing, Mieten, Pachten und Kreditzinsen – dem Gewinn hinzugerechnet werden. Firmen wird es damit erschwert, den Gewinn durch Scheingeschäfte zwischen ihren Töchtern künstlich zu drücken. Außerdem haben die Abgeordneten durchgesetzt, dass die bisherigen Zurechnungen von Kosten zum Unternehmensgewinn, die Eichel streichen wollte, erhalten bleiben. Im Vergleich zu dessen Entwurf nehmen die Einnahmen aus den Steuern der großen Unternehmen um etwa 700 Millionen Euro zu.
Parallel dazu werden die Freiberufler, die ab Januar 2004 erstmals Gewerbesteuer zahlen sollen, etwas entlastet. Ärzte, Rechtsanwälte und andere Selbstständige bekommen einen Freibetrag von 25.000 Euro des jährlichen Gewinns, den sie nicht versteuern müssen. Die Steuer steigt dann in zwei Stufen bis zur vollen Höhe an, die ab 35.000 Euro gilt.
Gleichzeitig sollen die Kommunen künftig nur noch 20 Prozent der Gewerbesteuer an Bund und Länder abführen. Zur Zeit sind es 30 Prozent. Unter dem Strich würden die Städte drei Milliarden Euro mehr Gewerbesteuer erhalten als heute, sagte gestern die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Andreae. In Eichels Entwurf waren es nur 2,5 Milliarden, die Städte hatten fast vier Milliarden gefordert.
Gegen die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geplante Neuordnung der Gemeindefinanzen hatte der Deutsche Städtetag eine breite Lobby-Front organisiert. Mit den Bürgermeistern aus ihren Wahlkreisen im Rücken konnten viele Abgeordnete der Regierungsfraktionen kaum anders, als den Regierungsentwurf zurückzuweisen. Um größeren Schaden auch im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen zu verhindern, zeigten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder, Eichel und SPD-Fraktionschef Müntefering schließlich bereit, das Gesetz zu verändern. „Die Regierung kann mit diesem Entwurf gut leben“, hieß es aus dem Finanzministerium. Das gelte auch für Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der bis zuletzt Kritik angemeldet hatte.
Der Deutsche Städtetag sieht „deutliche Fortschritte gegenüber dem Regierungsentwurf“. Allerdings sei noch nicht erkennbar, ob die Änderungen tatsächlich drei Milliarden Euro zusätzlich erbrächten. Der Bundestag verabschiedet die Gemeindefinanzreform am 17. Oktober. Das letzte Wort über die Gewerbesteuer, die in Zukunft „Gemeindewirtschaftssteuer“ heißt, aber spricht die Union im Bundesrat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen