: Alte Eichen sollen weichen
Bürgerinitiative in Sinstorf wehrt sich heftig gegen das Abholzen eines Waldstücks, das laut Flächennutzungsplan erhalten werden soll
Von Gernot Knödler
Hinter der 1000-jährigen Kirche in Sinstorf steht ein Wald, der zu ihr passt. Himmelhohe Bäume stehen hier: Eichen, Buchen, Kiefern und sogar ein ebenso hoher Haselnussbaum. Einzelnen der von Efeu überwucherten Bäumen attestieren Fachleute ein Alter von bis zu 300 Jahren. Trotzdem soll der Wald weg. Ein Investor will hier altengerechte Eigentumswohnungen bauen. Zusammen mit dem Umweltverband BUND wehren sich jetzt die Nachbarn. Gestern übergaben sie dem Harburger Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg 500 Unterschriften mit der Bitte, sich gegen eine Bebauung einzusetzen. „Das ist so, als ob man den Jenischpark abholzen wollte“, sagt der BUND-Vorsitzende Harald Köpke.
In einem Bebauungsplan aus dem Jahre 1960 ist der Wald als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen, auf der „Alteneinrichtungen, die im südhamburgischen Raum bisher fehlen“, vorgesehen seien. 1996 wurde das zwei Hektar große Waldstück Teil des Landschaftsschutzgebietes „Marmstorfer Flottsandplatte“. 1997 beschloss die Bürgerschaft einen neuen Flächennutzungsplan mit dem Ziel, die Freiflächen am Sinstorfer Kirchweg zu erhalten und „zu einem Freiraumverbundsystem im Sinne des Landschaftsprogrammes“ zu vernetzen. Es handele sich um einen „wertvollen, artenreichen Mischwald“, der Teil einer wichtigen Grünverbindung sei.
„Keiner der Politiker hier in Harburg hat es für nötig befunden, die Beschlüsse von Senat und Bürgerschaft durch Aufhebung des Bebauungsplans umzusetzen“, ärgert sich Angelika Buchholz von der Bürgerinitiative. Die Folge: Wer die Vorgaben des Bebauungsplanes einhält, hat einen Rechtsanspruch darauf, hier zu bauen. Dementsprechend erhielt die Harburger Terra Baubetreuung einen Bauvorbescheid. Der eigentliche Bauantrag für 52 altersgerechte Wohnungen in Doppel- und Reihenhäusern sowie Wohnblöcken wurde aber abgelehnt.
„Der Grund für die Ablehnung ist mir nicht klar“, sagt Terra-Geschäftsführer Udo Stein. Angeblich sei nicht eindeutig erkennbar, dass er eine Altenwohnanlage geplant habe. Aus Sicht Steins ist das unverständlich, seien die Wohnungen doch barrierefrei geplant und eine DRK-Sozialstation vorgesehen. Mit dem positiven Bauvorbescheid in der Tasche habe seine Firma das Areal vom Bundesvermögensamt erworben. Gegen die Ablehnung des Bauantrages hat sie beim Bezirksamt Widerspruch eingelegt.
Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg will sich zur Ablehnung des Bauantrages nicht äußern. Er verwahrt sich jedoch gegen den Vorwurf, hier herrsche ein Planungschaos, weil der Bezirk den Flächennutzungsplan nicht umgesetzt habe. Dieser sei nur eine grobe Zielvorgabe für die ganze Stadt. „Das, was dort baurechtlich möglich ist, ist nach aufwändigen Vorarbeiten wünschenswert für eine Bevölkerung, die älter wird“, sagt der Bezirkschef. Der Bebauungsplan könne nicht geändert werden, ohne den Eigentümer zu entschädigen.
Bürgerinitiative und BUND fragen sich dagegen, warum mit viel Aufwand ein Flächennutzungsplan erarbeitet wird, wenn er in Bebauungsplänen keinen Niederschlag findet. Besonders ärgert Buchholz, dass das Abholzen nicht einmal ausgeglichen werden müsste, weil der Plan so alt ist. Im Stadtteil gebe es „unglaublichen Unmut“.
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