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Ein Krieg gegen die Armen

Simbabwes Polizei macht Slumbewohner in den Städten zu zehntausenden obdachlos und steckt ihre Wohnviertel in Brand. Die Bewohner sollen aufs Land gebracht werden

BERLIN taz ■ Hatcliffe Extension am Rand der simbabwischen Hauptstadt Harare war einst ein florierendes Städtchen. In den 90er-Jahren als Übergangslösung für obdachlose Zuwanderer eingerichtet, mauserte sich die Bretterbudenansammlung inmitten von steilen, rutschigen Hängen im Laufe der Jahre zu einem richtigen Vorort mit Gemüsegärten, Geschäften und Kneipen. Seit dem Wochenende existiert Hatcliffe Extension nicht mehr. Die Polizei hat die Siedlung angezündet und dem Erdboden gleichgemacht.

„Am Sonntag früh erhielt ich einen Anruf, dass die Polizei die Zerstörung aller Gebäude im Siedlungskern innerhalb von 24 Stunden angeordnet hat, auch der Kindertagesstätte und der Klinik“, heißt es in einem Augenzeugenbericht der Mitarbeiterin eines kirchlichen Hilfswerks in Hatcliffe Extension. „Woher soll ich am Sonntag Leute holen, damit sie kommen und ihre Häuser auseinander nehmen? Ich entschloss mich, bis Montag zu warten. Am Sonntagabend erhielt ich einen Anruf nach dem anderen – komm schnell, man wird uns umbringen, sagten die einen; komm nicht, man wird dich umbringen, sagten die anderen. Montag früh fuhr ich nach Hatcliffe. Schon aus der Entfernung sah ich Rauch aufsteigen – sonst war da nichts. Die Leute standen in den Trümmern ihrer Häuser herum, ihre Sachen überall verstreut, brüllende Kinder, Kranke in Schmerzen.“

Hatcliffe ist eines von vielen Opfern einer brutalen Kampagne der simbabwischen Regierung für „Ordnung“ in den Städten. Mit Bulldozern und Vorschlaghämmern hat die Polizei rings um Harare Slumsiedlungen angegriffen und viele Häuser in Brand gesteckt. Zunächst hatte sich die Kampagne lediglich gegen Straßenmärkte im Stadtzentrum gerichtet; tausende Kleinhändler wurden festgenommen. Jetzt geht es gegen die Slumsiedlungen der Vorstädte insgesamt.

Eigentlich hatten „illegale“ Slumbewohner bis Juli Zeit, ihre Hütten zu räumen – diese Frist wird nun ignoriert. Gestern meldete die staatliche Tageszeitung The Herald 22.735 Festnahmen und zitierte einen Polizeisprecher: Obdachlose kämen in ein Transitlager, von wo aus man sie in ihre „ländliche Heimat“ zurückbringe.

Die meisten Vertriebenen verlieren bei den Polizeiaktionen ihren gesamten Besitz. Harares ältester Slum Mbare wurde am Montag von der Polizei in Brand gesteckt. Tausende von Menschen drängelten sich mit ihrer geretteten Habe am Busbahnhof – aber wegen der Benzinknappheit fahren keine Busse, und der Bahnhof wurde zum Flüchtlingslager, berichtete der UN-Nachrichtendienst Irin.

Simbabwes städtische Slumviertel sind Hochburgen der Opposition. Elliot Manyika von der Regierungspartei Zanu-PF (Simbabwe Afrikanische Nationalunion/Patriotische Front) dementierte aber, dass es eine politische Aktion sei: „Die Polizei fragt die Leute nicht, ob sie Zanu-PF unterstützen“, sagte er. Wohl wahr: Niemand entkommt den Zwangsräumungen.

Inzwischen sind auch andere Städte in Simbabwe betroffen. In Mutare im Osten des Landes errichteten Soldaten Straßensperren, konfiszierten den Besitz fliehender Obdachloser und verbrannten die Sachen.

In Hatcliffe haben 9.000 Menschen in den drei Tagen der Zerstörung ihre Heimat verloren. „Wie erklärt man dem 10-jährigen Peter und seinem 4-jährigen Bruder John, dass sie illegal sind?“, fragt der Augenzeugenbericht. „Als ihre Mutter im Sterben lag, bauten wir ihnen eine Holzhütte; jetzt ist sie tot, und die Hütte wurde mitten in der Nacht zerstört, und als wir hinkamen, saßen sie da und heulten im Müll.“ Ein Slumbewohner habe das Rote Kreuz angerufen und um Hilfe gebeten. „Es ist kein Krieg, also können wir nichts tun“, habe er zur Antwort bekommen. DOMINIC JOHNSON

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