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Grüne Reise nach Jerusalem

Nachwuchs und Landesprominenz der Grünen drängen ins Parlament. Die Personaldiskussion spürt sogar der Spitzenkandidat

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die grünen Bundestagsabgeordneten wissen zwar noch nicht, wie es zu Neuwahlen kommen soll. Aber sie machen sich längst Gedanken über die Zeit danach. Und viele haben Angst. Zu Recht.

Die bisherige Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, und der baden-württembergische Haushaltsexperte Oswald Metzger sind nur die prominentesten Politiker von außen, die den amtierenden Parlamentariern ihre Plätze streitig machen. Wegen der aussichtsreichen Kandidatur der NRW-Landeschefin Britta Haßelmann muss selbst die frühere Fraktionschefin Kerstin Müller um einen guten Platz bangen. Auch einige junge Nachwuchskräfte wie das hessische Bundesvorstandsmitglied Omid Nouripour drängen jetzt auf die Listen. Sie begründen ihren Anspruch mit dem Wunsch nach einem „Generationswechsel“ bei den Grünen, der zum Teil bereits im Gange ist. So werden die deutschen Liedermacher und Schlagersänger künftig ohne ihre wichtigste Fürsprecherin im Parlament auskommen müssen: Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (62) hat sich, wie sie es formulierte, „selbst in die Freiheit entlassen“. Die meisten Etablierten wollen aber noch einmal antreten. Die drei Minister sowie die Fraktionschefinnen Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt haben die Spitzenpositionen in ihren Ländern bereits beansprucht. Das passt nicht allen, die jetzt zittern.

Das vorzeitige Ende der Wahlperiode sorge für „extreme Nervosität“, heißt es aus der Fraktion. Nur so sei es auch zu erklären, dass „ein kleiner Nebensatz“ große Aufregung auslöste. In der Fraktionssitzung am Dienstagabend hatte sich die haushaltspolitische Sprecherin Anja Hajduk zu Wort gemeldet. Angesichts der weiblichen Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, gab Hajduk zu bedenken, wäre es gut, wenn auch die Grünen im Wahlkampf Frauen „in den Vordergrund stellen“. Ein nahe liegender Gedanke. Bei den Grünen aber grenzt er an Majestätsbeleidigung. Denn die Partei hat ihren Spitzenkandidaten ja schon nominiert, und der ist männlich: Joschka Fischer.

Der Außenminister habe ausgesprochen „muffig“ auf Hajduks Vorstoß und die anschließende Diskussion reagiert, in der einige Abgeordnete ebenfalls für eine stärkere Rolle der grünen Frauen plädierten, berichten Fraktionskollegen. Wahrscheinlich war Fischer bereits zuvor zu Ohren gekommen, dass „in einigen Gremien gefordert wurde, mit einer Doppelspitze Fischer/Künast anzutreten“, wie die taz erfuhr. Das müsse die Partei entscheiden, soll Fischer grantig entgegnet haben. Die Aufregung legte sich erst, als Verbraucherschutzministerin Renate Künast betonte, sie sei gegen eine Doppelspitze und stehe dafür nicht zur Verfügung. Hajduk selbst bemühte sich, die Aufregung zu dämpfen: „Ich finde es richtig, dass Joschka Fischer unser alleiniger Spitzenkandidat ist“, sagte sie der taz. Es sei eine „Falschmeldung“, dass sie eine Frau an Fischers Seite gefordert habe.

Da die Meldungen auf Berichten grüner Kollegen basierten, dürfte sich das gegenseitige Misstrauen weiter steigern. Wie die Listen am Ende aussehen, darauf haben die Führungsleute nur begrenzten Einfluss: Die Landesverbände haben häufig bewiesen, dass sie für Überraschungen gut sind. Von den Delegierten hängt es auch ab, ob es in der nächsten Fraktion noch dezidiert linke Grüne geben wird.

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