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Militärs putschen in Mauretanien

Unzufriedene Militärs in Mauretanien, einem Frontstaat des Krieges gegen militante Islamisten in der Sahelregion, besetzen die Hauptstadt und verkünden den Sturz von Präsident Taya. Der zieht sich nach 21 Jahren an der Macht nach Niger zurück

von DOMINIC JOHNSON

In Mauretanien haben gestern meuternde Militärs die Abwesenheit des Präsidenten zu einem Staatsstreich genutzt. Angehörige der Präsidialgarde besetzten strategische Punkte der Hauptstadt Nouakchott und riegelten den Präsidentenpalast, das Armeehauptquartier und die anderen Zentralen der Sicherheitskräfte ab. Auf menschenleeren Straßen brachten sie schwere Artillerie und Boden-Luft-Raketen in Stellung. Die staatlichen Medien, die sowieso wegen des Todes des saudischen Königs Fahd derzeit nur Koranverse senden, wurden abgeschaltet.

„Die Streitkräfte haben einstimmig beschlossen, den totalitären Praktiken des Regimes, unter dem unser Volk seit Jahren so leidet, ein Ende zu setzen“, erklärten die Putschisten am Nachmittag und kündigten die Bildung eines „Militärkomitees für Gerechtigkeit und Demokratie“ an. Sie wollten „die Bedingungen für eine offene und transparente Demokratie“ schaffen. Die Identität der neuen Machthaber war zunächst nicht bekannt.

„Die ganze Armee ist auf der Straße“, berichtete ein Bewohner gegenüber AFP. „Sie hat die Straße zum Präsidentenpalast und die wichtigsten Durchfahrtsstraßen gesperrt. Ich war auf dem Weg zur Arbeit, aber man sagte mir, heute werde nicht gearbeitet und ich solle nach Hause gehen.“ Präsidialgardisten sperrten nach Augenzeugenberichten auch die nach Süden führenden Ausfallstraßen aus der Hauptstadt ab sowie die Grenzübergänge von Mauretanien nach Senegal. Präsident Maaouiya Ould Taya, der nach Saudi-Arabien zu den Trauerfeiern gereist war und eigentlich gestern in die Heimat zurückkehren wollte, flog stattdessen nach Niger. Die dortige Regierung sagte, man habe ihm für unbestimmte Zeit eine Villa zur Verfügung gestellt.

Im Juni 2003 und erneut im August und September 2004 hatte Taya Putschversuche unzufriedener Militärs noch niedergeschlagen und die Putschisten immer in die Nähe militanter Islamisten gerückt. Ob die neuen Machthaber mit den bisherigen Putschversuchen in Verbindung stehen, ist unklar. Doch gibt es in Mauretanien große Unzufriedenheit mit Tayas Politik der Annäherung an Israel und die USA. Es gibt in der Armee auch starke gewachsene Sympathien mit der Baath-Partei Saddam Husseins im Irak.

Die Jagd auf die flüchtigen Putschisten von 2003 dominierte die mauretanische Politik der letzten zwei Jahre. Im Februar 2005 wurden vier hochrangige Offiziere wegen der Putschversuche zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Im April verkündete die Regierung, sie habe eine neue Al-Qaida-Zelle ausgehoben. Am 5. Juni töteten Kämpfer der algerischen „Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC), der letzten noch aktiven algerischen Islamistenguerilla, bei einem Angriff auf die mauretanische Militärbasis Lemgheity 15 Soldaten. Seitdem sieht sich Mauretanien erst recht als Frontstaat. Die Regierung verkündete die Entdeckung einer „Mauretanischen Gruppe für Predigt und Dschihad“ (GMPJ) als einheimischer Ableger von al-Qaida.

Darunter leiden die Bürgerrechte in Mauretanien, sagen Kritiker des Präsidenten Taya, der 1984 per Putsch an die Macht kam und bei den letzten Wahlen 2003 seinen schärfsten Widersacher verhaften ließ. Erst gestern wurde gemeldet, der als GMPJ-Führer inhaftierte Imam Mohamed Hacen Ould Dedow schwebe aufgrund schlechter Haftbedingungen in akuter Lebensgefahr. Oppositionelle beschuldigen Taya, die islamistische Gefahr aufzubauschen, um mehr Auslandshilfe zu kriegen. Mauretanien ist ein Hauptempfänger von US-Militärhilfe im Rahmen der Pan-Sahel-Initiative zur Stärkung der Sicherheitskräfte der Sahelländer.

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