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Beraten bis zum Tod?

Die Südafrika-Politik der Europäischen Gemeinschaft  ■ G A S T K O M M E N T A R

In einem persönlichen Brief hat am 15.Juni Joyce Mokhesi, die Schwester von Francis Mokhesi, einem der „Sharpeville -Six“, denen am 19.Juli die Hinrichtung droht, Außenminister Genscher dringend gebeten, mit Maßnahmen der Bundesregierung und der Europäischen Gemeinschaft gegen Südafrika nicht zu warten, bis die Hinrichtungen vollstreckt sind. Das Auswärtige Amt, hieß es ein paar Tage später, erwarte, daß die Verurteilten nicht hingerichtet würden. Komme es anders, seien Konsequenzen unausweichlich, sie müßten jedoch erst noch beraten werden. Doch die Zeit für Beratungen ist längst abgelaufen. Verschärfung der Repression, tiefgreifende Pressezensur, Verbot der politischen Tätigkeit für Bürgerrechtsorganisationen und Gewerkschaften, drohender Stopp der Unterstützungsgelder aus dem Ausland, dies alles ist Beweis genug für die Unfähigkeit und Unwilligkeit des Botha-Regimes, die Apartheid abzuschaffen. Was muß in Südafrika noch geschehen, bis die EG-Staaten gemeinsam wirksame Maßnahmen durchsetzen? Wollen Genscher und seine Kollegen auch nach der drohenden Hinrichtung der Sharpeville -Six lediglich weiterberaten?

Es geht nicht allein darum, daß das Regime eine Frau und fünf Männer hinrichten will, um den Widerstand einzuschüchtern und seine Macht zu beweisen. Es geht darum, daß der südafrikanische Unterdrückungsapparat täglich tötet, in Südafrika, Namibia und in den Frontstaaten. Es geht darum, daß Tausende unschuldig im Gefängnis sitzen, auch Kinder und Jugendliche gefoltert werden, daß 25 Millionen Menschen keine sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rechte haben. Hemmschuh für eine einheitliche und effektive EG-Politik gegenüber Südafrika sind die Bundesregierung und die Regierung Thatcher. Sie blockieren die Entscheidungen im Ministerrat und auf europäischen Gipfeln. Ohne die Unterstützung von Kohl hätte Thatcher allerdings schon längst dem Druck der innenpolitischen Opposition und der Commonwealth-Staaten nachgegeben.

Die Zeit der EG-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1988 hat die Bundesregierung ungenutzt verstreichen lassen. Sie hat keinerlei Initiativen ergriffen, die SüdafrikaPolitik der Gemeinschaft zu radikalisieren. Sie läßt sich von dem alten Hardliner aus Bayern ihre Haltung diktieren und bringt nur feierliche Erklärungen für die Wahrung der Menschenrechte zustande, aber keine wirksame Unterstützung für das südafrikanische Volk und die unter der Destabilisierung leidenden Menschen im gesamten südlichen Afrika. Der Bundesregierung fehlt der politische Wille, den Widerstand in Südafrika wirkungsvoll und vorbehaltlos zu unterstützen. Der Europäische Rat hat in Hannover die Aufhebung der Todesurteile gegen die Sharpeville-Six sowie die Freilassung Nelson Mandelas und aller anderen politischen Gefangenen gefordert. Die Staats- und Regierungschefs haben auch angekündigt, daß ein Verbot der finanziellen Unterstützung des demokratischen Widerstands zu einer zusätzlichen Belastung ihrer Beziehungen zu Südafrika führen würde. Aber Worte reichen nicht. Hier sind Taten gefordert, und zwar jetzt.

Barbara Simons, Südafrika-Sprecherin der sozialistischen Fraktion im Europa-Parlamen

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