: Amman gibt Westbank auf
■ Palästinenser bezeichnen die jordanische Entscheidung als politischen Sieg des Aufstands / Shamir sieht die Einheit des palästinensischen Volkes in Frage gestellt
Tel Aviv/Amman/Abu Dhabi (afp/taz) - Als politischen Sieg des Aufstands in den von Israel besetzten Gebieten bezeichneten am Montag Palästinenser aus der Westbank die Entscheidung König Husseins, das jordanische Parlament aufzulösen und seine Ansprüche auf das 1967 verlorene Gebiet aufzugeben. Der Herausgeber der Zeitung 'al-Fajr‘, Hanna Siniora, meinte zu der Rede des jordanischen Königs vom Sonntag abend, Hussein habe gesagt, was man von ihm erwartet hatte. Niemand, auch nicht Israel und die USA, könne nun an der PLO vorbei Friedensregelungen diskutieren. In einer ersten Stellungnahme der PLO erklärte Bassam Abu Sharif, persönlicher Berater Arafats, Husseins Schritt werde die Supermächte überzeugen, daß die PLO für den Friedensprozeß so wichtig sei wie Israel. Ohne einen selbstständigen palästinensischen Staat könne es keinen Frieden geben. Danach sei die PLO zu einem jordanisch-palästinensischen Staatenbund bereit. Die PLO wollte am Montag offiziell zu Husseins Ankündigung Stellung beziehen, erklärte Abu Scharif. Die Mitglieder des Exekutivkomitees und des Zentralrates der PLO seien in Bagdad versammelt und berieten über die jüngste Entwicklung. Neben den Modalitäten einer palästinensischen Beteiligung an einer Friedenskonferenz gehe es auch um die Umstrukturierung des palästinensischen Nationalrats.
Nach Ansicht des US-Außenministers Shultz bedeutet der Rückzug Jordaniens, daß „die Palästinenser auf der Westbank und in Gaza deutlich gemacht haben, daß sie für sich selbst sprechen wollen“. Die Entscheidung Ammans sei eine positive Entwicklung, zwinge Israel jedoch nicht dazu, direkt mit der PLO zu verhandeln.
Die Aufhebung der administrativen und legislativen Verbindungen Jordaniens zu „Judäa und Samaria“ ist nach Ansicht des israelischen Ministerpräsidenten Shamir „eine Infragestellung der Einheit des palästinensischen Volkes. Laut König Hussein gibt Fortsetzung auf Seite 2
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es einen Teil des palästinensischen Volkes, der für einen unabhängigen Staat kämpft, und einen anderen, der die jordanische Staatsbürgerschaft hat“, meinte Shamir am Montag im Rundfunk. Damit sei jetzt eindeutig klar, daß die Palästinenserfrage der Propaganda diene. Am Sonntag hatte Shamir bereits erklärt, daß Hussein „praktisch auf einen vollständigen israelischen Abzug verzichtet habe“. Allein im Rahmen der Vereinbarungen von Camp David, die eine begrenzte Autonomie im Gaza-Streifen und im Westjordanland vorsehen, sei Frieden möglich. Der israelische Verteidigungsminister Rabin vertrat die Auffassung, Hussein werde seine wahren Absichten über die zukünftigen Beziehungen seines Landes mit der Westbank erst in einem halben Jahr zu erkennen geben. Zudem habe er nach wie vor Mittel, um „ernsthaften Druck“ auf die Palästinenser in diesen Gebieten ausüben: „Wenn er sein Land für Exporte aus Judäa-Samaria und Gaza schließt oder seine finanzielle Unterstützung einstellt, hätte dies schlimme Auswirkungen für die Palästinenser“.
Auch nach der Rede König Husseins am Sonntag abend ist unklar, welche konkreten Auswirkungen der Beschluß auf die besetzten Gebiete haben wird. Nach Darstellung jordanischer Regierungsbeamter werden sofort 5.200 palästinensische Beamte, die in jordanischen Institutionen der Westbank arbeiten, entlassen. Die PLO sei die einzige, legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes und deshalb jetzt auch allein für diese Gebiete verantwortlich. Auch 16.000 weitere Palästinenser in der Westbank und im Gaza-Streifen sollen keine Gehälter oder Unterstützungszahlungen von Jordanien mehr erhalten, die in den vergangenen 17 Monaten eine Summe von 63 Millionen Dollar betrugen. Wie sich der Bruch zwischen Jordanien und der Westbank auf den staatsbürgerlichen Status der Einwohner auswirken wird, die jordanische Pässe besitzen, war am Montag noch unklar. In Amman hieß es, den Palästinensern werde „keine Lösung aufgezwungen“, Pässe würden nicht konfisziert. Möglich sei, daß Jordanien die Verlängerung der Pässe verweigert.
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