: Kunst, Kriminalität, Kind
■ „Krakatau“, ein dreiwöchiger Kunstworkshop für Kinder und Jugendliche, entpuppte sich als Schnellkurs in Staatsfeindlichkeit / Sozialpädagogen, die ihre Klientel vom Kunstspektakel fernhielten, verhindern das Schlimmste / Der Geschehnisraum als Paragraphendschungel
Helmut Höge
Es war einmal ein Kind, eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen; und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt und die Erde über es hingedeckt war, so kam auf einmal sein Ärmchen wieder hervor und reichte in die Höhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde darüber taten, so half das nicht, und das Ärmchen kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehen und mit der Rute aufs Ärmchen schlagen, und wie sie das getan hatte, zog es sich hinein, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde. (Kürzestes Märchen in „Kinder- und Hausmärchen“ von den Gebrüdern Grimm).
Am Wochenende ging der „E88-Geschehnisraum Krakatau“ - eine dreiwöchige Workshop-Batterie für Kinder und Jugendliche in der Berliner Kongreßhalle und im Tempodrom - zu Ende. Bei der Abschlußveranstaltung kamen noch einmal ein paar hundert Leute zusammen: um sich die Arbeitsergebnisse anzusehen, die unter der Anleitung von rund 40 Künstlern und assistiert von einem mittelgroßen Sozialpädagogik-Team entstanden waren. Zum großen Teil mit Hilfe von modernstem High-Tech-Gerät; selbst die mit eher traditionellen Techniken arbeitenden „namhaften Künstler“ (Prospektankündigung) waren ständig von Videokameras und Tonbandgeräten umgeben beziehungsweise arbeiteten mit eigenen Filmgruppen zusammen. Einige bekamen bis zu 12.000 Mark für ihren 20tägigen Kunstkursus, für den die Kinder fünf Mark zu berappen hatten.
Insgesamt ließen sich die Senatoren Schmalz-Jacobson und Dr.Hassemer diesen Sommerspaß eine Million Mark kosten. Die Jugendsenatorin hatte diese außerschulische Jugendbildung gegen Teile der Sozialarbeiter- und Sozialpädagogen -Fraktionen in den Bezirken durchsetzen müssen. Diese hätten die runde Summe wohl selber gerne in ei nem Ferienprojekt verbraten.
Frau Schmalz-Jacobson äußerte sich auf einer der Diskussionen in der Kongreßhalle zu den Intentionen der rund 25 Workshops auf „Krakatau“: „Ich habe mir davon versprochen, daß man hier was lernen kann, was man später verwenden kann. Ich mache mir keine Sorgen darum, ob das auf später abstrahlt.“
Ein „enigmatisches Oxymoron“ (K.H.Flach) - zur Einschätzung dessen, was die teilweise von ihren Eltern in die Kongreßhalle gebrachten Kids unter Anleitung einer hochdotierten, in nahezu allen Künsten bewanderten und zur Kunstvermittlung wildentschlossenen Künstlerschar zustandebringen sollten. Was wurde in den Workshops denn nun aber wirklich getan?
Die beiden Experimentalmusiker Butzmann und Kapielski, besonders befähigt im Umgang mit Minderjährigen (sie arbeiten nebenbei noch in der Einzelbetreu ung verhaltensauffälliger Jugendlicher), begannen mit einem Mit-mach-Konzert, bei dem en passant das gesamte Spektrum ihres Workshop-Equipments zum akustischen Ausdruck kam. Die erste Strophe des von ihnen zum Mitsingen verteilten Liedes „Fleischeslust, Oh!“ lautete: „Oh Fleischeslust, das Duo spielt / Erschüttert Mark und Beine / Und dürstet uns nach Alkohol / langweilet uns die Onanie / gehn wir zu Butzmann -Kapielski.“
Während ihres Workshops dann wurde unter anderem unter der radikalfeministischen Anleitung zweier Hörspiel-Autorinnen (Haß und Weck - sic!) ein Hörspiel von einer Mädchengruppe inszeniert: Geräusche und Gedanken, die entstehen, wenn Body -Lotion und Deo-Spray durchknallen. (Obiges Grimm-Märchen ist den Arbeitsmaterialien des Workshops entnommen.)
In summa ergaben die vom Duo Butzmann/Kapielski in den drei Wochen hergestellten Akustik-Sachverhalte in etwa den Tatbestand der Verbreitung obszöner Texte und des planmäßigen Einsatzes von schwerem High-Tech-Gerät zur ruhestörenden Lärmerzeugung: StGB Paragraph 184, Pornographiegesetz, in Verbindung mit dem Umweltschutzgesetz Paragraph 325, beziehungsweise 117 OWiG.
Im Workshop des bildenden Künstlers Dirk Sommer wurden „Aktionsfahnen“ entworfen, die nach Fertigstellung an den Fahnenstangen vor der Kongreßhalle aufgezogen wurden: Dort, wo sonst der Union Jack, die Stars und Stripes, die Europa und Deutschlandfahne knattern, baumelten, bald den gesamten Platz umsäumend, Anarcho-Fahnen in grellen Farben. Auf einigen konnte man naturgetreue Szenen erkennen: etwa einen flüchtenden Berliner Bären, der von einem Bullenschwein mit Gummiknüppel verprügelt wird, oder einen Totenkopf mit Säbeln - eine Nachahmung der Kubat-Dreieck-Besetzerfahne, die ihrerseits eine leicht abgewandelte Piratenflagge dargestellt hatte.
Zusammenfassend könnte es sich hierbei um gezielte Verächtlichmachung eines Staatssymbols in Tateinheit mit Verunglimpfung und Beleidigung von Verfassungsorganen handeln: Paragraphen 90a und 90b StGB. Die kriminelle Energie
der Klangkünstler
Der in Paris lebende ungarische Komponist Horatiu Radulescu arbeitete mit bestimmten Oberton-Frequenzen in Chören, wobei er die Stimmen kurz vor der Pubertät stehender Kinder bevorzugte. Diese Töne können unter Umständen Leute in den Wahnsinn treiben. Wie aus nichtbestätigter Quelle zu erfahren war, sollen Pariser Jugendliche unlängst nach einem Radulescu-Konzert mehrere Bistros und McDonald-Läden gestürmt haben. Trifft dies zu, würde hierbei der Tatbestand der Körperverletzung vorliegen, wobei Sachbeschädigungen billigend in Kauf genommen wurden: Paragraphen 223 und 303, natürlich auch wieder 325.
Eher harmloser Natur war dagegen die kriminelle Energie, wie sie von den „Klangkünstlern“ H.P.Kuhn und Kammertöns/Tucholski kulturell umgesetzt wurde. Letztere bauten „eine begeh- und bespielbare Klangfigur“ unter Verwendung von allerhand Materialien und Abfällen.
Ähnlich die Bildhauergruppe „Matsch“ (Gutmann/Samens), in deren „Outdoor-Labors“ mit Wasser und Staub (aus Staubsaugerbeuteln) „experimentiert“ wurde, sowie der Designer-Workshop „Viva los Primitivos“ (von Kornreich), in dem rund 100 typische Ämter- und Schulstühle auseinandergenommen und zu neuer Gegenständlichkeit wieder zusammengebaut wurden. Grundsätzlich stellt sich hierbei die Frage, ob derlei Ansätze nicht in eine ähnliche Richtung weisen wie seinerzeit der TV-Bastelkurs von Otto: „Beim nächsten Mal zeige ich euch, wie man aus Pappis Lautsprecherboxen einen prima Hamsterkäfig bauen kann...“
Dies läuft natürlich alles auf Paragraph 303 in Tateinheit mit Mißbrauch Abhängiger unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung, Paragraph 223b, hinaus, wobei eventuell auch noch Paragraphen 126 und 130b hinzukämen: Störung des Friedens durch Androhung von beziehungsweise Anleitung zu Straftaten.
Dies liegt um so näher, da einer der teuersten Workshops (mit Bazon Brock nebst Assistent) sich mit „szenischen Übungen zur Erprobung von Selbstdarstellung“ befaßte, worunter der einstige 68er-Agitator aus Pinneberg die mit Selbstbewußtsein zu unterfütternde „nichtangepaßte Persönlichkeit“ versteht, die seiner Meinung nach besser in Arbeitszusammenhängen sich durchzusetzen imstande sei als jede andere. Insubordination und Renitenz als Stilprinzip so hätte man das Lernziel auch formulieren können. „Da wird doch der Bock zum Gärtner gemacht“, meinte denn auch jemand in einer der sogenannten „Forum„-Diskussionen.
Zu klären bliebe, ob derlei frevelhaftes Tun nicht den Tatbestand der „Verhetzung“ erfüllt: Paragraph 130, in gewissen Fällen sogar in Tateinheit mit Paragraph 88 (Sabotage).
Ganz ähnlich, wenn auch etwas anders gelagert, liegt der Fall bei den mit bis zu 50 Teilnehmern meist weiblichen Geschlechts außerordentlich gut besuchten Tanz-Workshops (der Gruppen Black Blanc Beur, Ismael Ivo und Saf Sap): strenges Chorusline-Exerzieren bei den einen, mehr locker -rhythmische Bewegungen bei den anderen. Ihren Workshops gemeinsam war, daß dort gezielt die Schönheit und Anmut der schwarzafrikanischen beziehungsweise braun-arabischen Vortänzer als Attraktor, quasi vorbildhaft also, eingesetzt wurde, was zumindest im Sinne eines auf allgemeine Akzeptanz der Senats-Asylpolitik hinzielenden Wirkens als „kontraproduktiv“ gelten dürfte.
Da aber einerseits in den Workshops generell die „Berührungsängste“, auch „interkulturell“, zwischen Jugendlichen und Künstlern „abgebaut“ werden sollten bis hin zur Durchsetzung einer „Imageverschiebung“ der qua Medien angebotenen Leitbilder Jugendlicher und andererseits gerade die FDP/CDU-Bevölkerungs- beziehungsweise Familienpolitik (mit Muttergelderhöhung, Abtreibungserschwernissen, Aids -Prävention durch Treue, etc.) im Kern auf eine rassistische Entmischung beziehungsweise Reinhaltung abhebt (auf die „Öde massierter Teutonenhaufen“, so der Kritiker Heinsohn), liegt hierbei vielleicht sogar „Verführung“ vor: Paragraphen 174, 176 und wieder Paragraph 223b. Avantgarde und Diebstahl
Andere, mit Video- und Filmapparaturen arbeitende Workshops (von Valie Export, Michael Muschner, Frozen in Time und Mike Steiner) affirmierten ähnlich fragwürdige „Public Images“ (wie durch Mannequins, Film- und Popstars, Werbeclips und TV -Shows verbreitet), teilweise unter direkter Einbeziehung Jugendlicher, die diese Images vor laufenden Kameras nachspielen und so auf Bildschirmen ihre Simulationsfähigkeit entwickeln und vervollkommnen sollten.
Wie man weiß, wird diese Fähigkeit in der Armee, falls sie zur Anwendung gelangt, als eine Variante von Fahnenflucht begriffen und dementsprechend bestraft (Paragraphen 3 und 4 der Bundeswehrgesetzgebung).
Aber auch im zivilen Gemeinleben wird eine zunehmende Zahl von gesetzgeberischen und behördlichen Maßnahmen darauf verwendet, die Simulation zu liquidieren (bei der Krankschreibung, der Invaliditätsbestimmung und den Einstellungsprozeduren ebenso wie mit Alkoholkontrollen, gutachterlichen Tätigkeiten, fälschungssicheren Dokumenten und sauberem Journalismus).
Ja, genaugenommen ist jedes „situationsinterpretative“ (statt „aktive“) Verhalten (im Sinne Luhmanns) bereits im Keim „Verrat“ (Paragraph 263, Betrug) des Geheimnisverrats und der Hochstapelei (zumal mit Titel- und Amtsanmaßung Paragraphen 132 und 132a) strafwürdig ist.
Erinnern wir uns noch einmal an Carl Schmitts These, wonach selbst der „Terrorismus“ letztlich nichts anderes darstellt als die angemaßte Ad-hoc-Simulation eines staatlichen Exekutivorgans.
Im Falle des Video-Workshops von Mike Steiner kommt noch dessen eigene Einschätzung dazu: „An meinen hier vorgeführten Arbeiten kann man sehen, daß die Avantgarde heute vor allem darin besteht, möglichst geschickt überall zu klauen.“ Paragraph 242 (Diebstahl), in Verbindung mit dem Urheberschutzgesetz (Paragraph 1).
In einem Fotomaton-Workshop (von Andreas Bartels) wurde den Kindern beigebracht, wie man seine Paßbilder verfremdet. Es wurde also dort ebenfalls an der Destabilisierung von Identifizierungsmerkmalen gearbeitet. Zu prüfen wäre, ob dies auf Dokumentenfälschung hinauslief, zumindest in billigender Weise - Paragraph 263?
Am Tag, als die Drogenbeauftragte des Senats die Kongreßhallen-Veranstaltungen besuchte und entsetzt feststellen mußte, daß dort Bier ausgeschenkt wurde, die Künstler also ein „schlechtes Beispiel“ abgaben, fand eine weitere „Forum„-Diskussion statt. Das Thema war von Fritz Rahmann - Leiter eines Workshops zum Bau von Demonstrations und Umzugswagen - provokativ formuliert worden (wahrscheinlich weil in seinem Kurs kaum Kinder waren): „Kunst und Kinder haben nichts miteinander zu tun. Die Werke der Künstler haben etwas Gesellschaftliches auf den Punkt gebracht, das kann man nicht so einfach Kindern in einem Dreiwochenkurs vermitteln.“
Obwohl Rahmann ergänzend meinte, dazu bräuchte es der Pädagogik, äußerte eine Kunstpädagogin: „Hier wird die fachliche Kompetenz der Pädagogen die ganze Zeit so etwas von unterminiert...“ (Ohne dem weiter nachgegangen zu sein, könnte hierbei eventuell eine Behinderung des gesetzlichen Erziehungsauftrages vorliegen: vergleiche dazu Paragraph 29 des Schulrechts und Paragraph 47 des Sozialfürsorgerechts.)
Francis Meijer (mit Petra Kurek zusammen Leiterin eines „Aktions-Theaters“ auf einem Baugerüst) bedauerte, daß die Mehrzahl der Kinder „zu angepaßt“ sei: „Sie kamen immer wieder und machten alles brav mit.“ Aschenbecher- statt Angebotskultur
Der Pariser Fotograf Florian Kleinefenn kritisierte, daß man statt der geballten Ladung „Angebotskultur“ besser und mehr „Aschenbecherkultur“ (in Anspielung auf die Resultate eines Bildhauerkurses in einem Gefängnis) ins „Krakatau„-Programm hätte nehmen sollen - „für Graffiti-Sprayer beispielsweise einen Workshop, wie man die Polizei austrickst“.
Ein Kulturpädagoge: „Kultur von unten, schön und gut, ich will aber nicht Aschenbecher, die immer rund sein müssen, mit drei Ablagen. Diese Schere muß aus dem Kopf raus. Statt dessen: zehn Meter große Aschenbecher, rosagestreift, mit Glockenspielen dran, warum nicht.“ Darauf Martin Reuter (von der Dokumentationsgruppe) in dankenswerter Offenheit: „Du willst die Revolution, das geht nicht!“
Ein Sozialpädagoge meinte: „Immerhin hält man gemeinhin jeden Künstler und Jugendlichen für rebellisch, anarchisch.“ Dies wurde jedoch als „leider übertrieben“ bezeichnet.
Auf den eher schnellen Publikumskonsens zielten die Kurse der Neuköllner Wagenburg-Gruppe (um Traugott Fobbe) und der englischen Truppe „Ra Ra Zoo“. Erstere schweißte aus zerlegten Badewannen „die letzten lebenden Robben“ zusammen: eine Form-Inhalt-Lösung, mit der sie ebenso vereinfacht wie eindeutig auf den politischen Zusammenhang von Barschel- und Seehundsterben verweisen wollte: Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (Paragraph 189) in Tateinheit mit Verleumdung einer Person des politischen Lebens in Schleswig -Holstein (Paragraph 187a). Als die Veranstalter dem Workshop mit Entzug der Flex drohten, empfand die Schlossergruppe das sofort als „Zensurmaßnahme“, gegen die sie sich - erfolgreich - mit einem Protestplakat zur Wehr setzte. Diese eher häßliche Begebenheit aber nur am Rande.
Als nicht viel weniger eindeutig entpuppte sich der „Anarcho-Humor“, mit dem die englische Gruppe Ra Ra Zoo ihre Akrobatik und Jonglistik auflud. Ihnen vorangegangen war ein Workshop der Zirkusschule Fratellini (ebenfalls mit Übungen im Seiltanzen und Jonglieren).
Die Engländer, dazu gehört auch die Gruppe „Startled Insects“, brauchten für ihre Arbeit vor allem Alkohol (Bier). Dessen ungeachtet muß man sich aber fragen, was die Kinder in solchen Workshops „für später lernen“ sollen (Schmalz-Jacobson). Doch wohl primär nur dies, daß ihnen dabei in unverantwortlicher Weise die schwanken de Existenz eines herumziehenden (also nichtseßhaften und ewig mit den Gesetzen in Konflikt geratenden) Jahrmarktgauklers als erstrebenswerte Perspektive vorgegaukelt wird. Ob hierbei nicht ein Mißbrauch Schutzbefohlener unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung (Paragraph 223b) zur Anwendung gelangte, bliebe zu prüfen.
Eine ähnliche Rechtsproblematik scheinen die Workshops einer Berliner Trickfilm- und Puppenbauer-Gruppe und eines amerikanischen „Ökologie-Künstlers“ (Powers) tangiert zu haben: Dieser hatte zwar in seinem dreiphasigen Arbeitsplan die Lernziel-„Dimensions“ mit „ecological, sociological und aesthetical“ umschrieben, aber heraus kamen nur immer wieder neue Vögel-, Kleintier- und Fischfallen - aus Zweigen und Bast (und auch noch mit aktiver Unterstützung ausgerechnet des Gartenbauamts Tiergarten!). Abgesehen davon, daß hierbei Paragraph 303 (und die entsprechende Tierschutzgesetzgebung) zur Anwendung gelangt, beinhaltet die Fallenjagd als Workshop im innerstädtischen Bereich und in der Schonzeit selbstverständlich auch noch Paragraph 130b (Anleitung zu Straftaten). Die Kamera als Terror-Waffe
Die Trickfilmgruppe (Bussert, Roters und andere) führte zum Abschluß ihr Werk „Radau vor der Currybude“ vor: animierte Konfliktstrategien für soziale Brennpunkte! In anderen Worten: auch hier wieder das auf dem gesamten Krakatau durchgängig anvisierte Verhaltensmuster: Randale statt Dialog, Revolte statt Unterordnung, anarchische Wahrnehmungsexperimente statt Konzentrierung auf und Konturierung des Wesentlichen (die berufsorientierte Qualifizierung Jugendlicher). Im Kern also: Schnellkurse zum Widerstand gegen die Staatsgewalt (Paragraph 113) - und das auf allen Ebenen und mit teilweise modernstem audiovisuellen Equipment („Man kann mit einer Kamera eine ganze Stadt in Schach halten!“, Andreas Baader), also Paragraph 127: Bildung bewaffneter Haufen!
Daß dies nicht selbstfinanziert von Regimegegnern - zum Beispiel als „Volks-Uni“, „Mutlangen-Camp“ oder „Kubat -Dreieck“ - veranstaltet wurde, sondern von FDP/CDU -Senatoren organisiert, ist der eigentliche Skandal!!!
Als Trost bleibt einzig: daß die ganzen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nicht mitspielten und deswegen kaum Kinder auf diesem Eine-Million-Mark-Vulkan tanzten (in einigen Workshops arbeiteten nur jeweils zwei bis drei Kinder mit), was eventuell die Frage der Verschwendung von Steuergeldern (Paragraph 30 der Abgabenordnung) aufwirft.
Da „Krakatau“ demnächst auf bezirklicher Ebene in Form einer „Kulturkarawane“ weitergehen soll, bleibt einstweilen nur zu hoffen, daß dann mit Hilfe der dort verantwortlich tätigen Sozialarbeiter und -pädagogen die eine oder andere mit allen künstlerischen Mitteln eingeimpfte Staatsfeindlichkeit wieder neutralisiert werden kann. So, wie es jetzt aussieht, wären die Kinder und Jugendlichen durch diese E88-Workshops selbst für eine grün-parteiliche Jugendorganisation absolut verloren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen