An der deutschen Botschaft zu Peking herrscht Ruhe

Botschafter Hellbek sieht keinen Grund, sich für die verfolgten Chinesen einzusetzen / Eine Revision der China-Politik steht nicht an / Konsulardienste der Botschaft vergangene Woche geschlossen / Botschafter warnt vor Überschätzung der Pekinger Ereignisse  ■  Aus Peking Georg Blume

Die Terrorkampagne der chinesischen Regierung gegen angebliche „Unruhestifter“ und „Konterrevolutionäre“ wird die Bundesrepublik Deutschland vorläufig nicht zu einer weiteren Revision ihrer China-Politik veranlassen. Das machte am Montag der Botschafter der Bundesrepublik in Peking, Hannspeter Hellbeck, vor Journalisten deutlich.

Insbesondere sieht sich die bundesdeutsche Botschaft in Peking nicht aufgerufen, hinsichtlich einer großzügigeren Auslegung des Asylrechts für Chinesen in der Bundesrepublik die Initiative zu ergreifen. Der in solchen Fällen übliche Amtsweg, daß sich nämlich der Botschafter mit einem Lagebericht an die für Asylfragen zuständigen Minister der Bundesländer wendet, wird in Peking derzeit nicht erwogen. Als Begründung für dieses Verhalten gibt die Botschaft zu verstehen, daß es nicht offensichtlich sei, wer in China heute den Verfolgungen ausgesetzt sei. Währenddessen war im chinesischen Fernsehen zu vernehmen, daß bereits 700 Personen in den vergangenen Tagen verhaftet wurden, unter ihnen Mitglieder der autonomen Studenten- und Arbeiterverbände.

Botschaftsbeamte in Peking mußten allerdings einräumen, daß die Asylfrage in den kommenden Wochen zentraler Gegenstand der deutsch-chinesischen Beziehungen werden könnte. In der Bundesrepublik befinden sich derzeit annähernd 3.000 Studenten der Volksrepublik China. Ihren chinesischen Kommilitonen in den USA sagte Präsident Bush in der vergangenen Woche eine problemlose Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen zu.

Zu welch heikler Situation eine großzügigere Auslegung des Asylrechts im Verhältnis zwischen Bonn und Peking führen kann, zeigt sich am Beispiel des chinesischen Regime -Kritikers Fang Lizhi (siehe Proträt), der derzeit in der US -amerikanischen Botschaft in Peking Zuflucht gefunden hat. Am Montag erließen die chinesischen Behörden einen Haftbefehl gegen Fang und seine Frau. Das Außenministerium in Washington teilte daraufhin mit, daß Personen, die den Tod befürchten müssen, auf US-amerikanischem Boden grundsätzlich Asylrecht zustehe. Nach internationalem Recht fällt das Gelände einer Botschaft unter das Hoheitsgebiet des jeweiligen Landes.

Die Botschaft der Bundesrepublik in Peking beteuerte, daß bisher niemand unmittelbar auf ihrem Gelände Schutz gesucht habe. Auch über ein Ansteigen der Anträge für eine Einreise -Erlaubnis in die Bundesrepublik sei nichts bekannt. Allerdings hatten die Konsular-Dienste der Botschaft ausgerechnet vergangene Woche geschlossen. Der Botschaft fehlte angeblich die Hilfe ihrer streikenden chinesischen Angestellten.

Auch grundsätzlich ließ Botschafter Hellbeck durchblicken, daß die Bedeutung der Pekinger Ereignisse für ganz China überschätzt werde. Ziel bundesdeutscher Politik in China sei es, die Zusammenarbeit mit kommenden Generationen chinesischer Politiker anzustreben.

Währenddessen wird die Pekinger Propagandaschlacht gegen angebliche „Konterrevolutionäre“ von Tag zu Tag heftiger. Nahezu ununterbrochen sendet das chinesische Fernsehen Berichte über die andauernde Verhaftungswelle. Die Bevölkerung wird aufgefordert, die Protestler der vergangenen Tage der Polizei zu nennen. Zu diesem Zweck haben die Behörden einige Telefonlinien eingerichtet. Besonderes Lob erhielt im Fernsehen ein Mann, der angeblich Mitglieder seiner eigenen Familie „der Gerechtigkeit zuliebe“ denunzierte. Zu Fahndungszwecken kann die Polizei auf umfangreiches eigenes Filmmaterial zurückgreifen, da die Demonstranten offenbar erst spät begriffen, welch Unheil die überall in der Stadt postierten Videokameras später anrichten würden. Zudem steht unbegrenztes Filmmaterial westlicher Fernsehanstalten zur Verfügung. Hilflos protestierte am Montag die US-amerikanische ABC -Fernsehgesellschaft gegen die Verwendung ihrer Filmaufnahmen für die Anklage gegen einen Demonstranten.