: „Noch nie war ein Weltpark Antarktis so nah“
Ende der Antarktis-Konferenz in Paris / Sonder-Umweltschutzkonferenz für nächstes Jahr anberaumt / Irmi Mussak, Antarktis-Referentin von Greenpeace, ist mit diesem Ergebnis weitgehend zufrieden / Umweltschutz wurde zum globalen Thema ■ Von Andrea Seibel
Berlin (taz) - Nach „harten Diskussionen“ hat die 15. Konsultativkonferenz der 39 Mitgliedsländer des Antarktisvertrags in der Nacht zum Samstag die Kompromißvorschläge über die Einberufung zweier weiterer Tagungen im nächsten Jahr einstimmig angenommen. Bei der einen Sonderkonferenz soll über den Vorstoß Australiens und Frankreichs über eine „globale Konvention zum Schutz der Umwelt der Antarktis“ beraten werden. Ziel ist, das sensible Ökosystem des siebten Kontinents vor jeglichem Rohstoffabbau zu schützen und die Antarktis als „Weltpark“ zu deklarieren. Die Technik-Apologeten a la USA und Großbritannien wollen die 1988 vereinbarte Wellington-Konvention über die Ausbeutung von Bodenschätzen propagieren.
taz: Sollen wir den Agenturen glauben, die von einem „Kompromiß nach zähem Ringen“ sprachen, oder ist das Ergebnis ein Sieg für die Umweltschutz-Idee?
Irmi Mussak: Ich sehe einen Sieg, und zwar den, daß der Vorschlag Australiens und Frankreichs nicht gleich im Ansatz erstickt wurde. Es hätte ja genausogut sein können, daß die Antarktis-Vertragsstaaten finden, daß sie schon so viele wunderbare Umweltschutzarbeit leisten und somit nächstes Jahr kein spezielles Treffen nötig gewesen wäre.
Australien und Frankreich blockieren also weiter das Wellington-Rohstoffabkommen?
Da wurde unglaublicher Druck ausgeübt, daß sie ihre Position aufgeben. Vor allem die USA und Großbritannien sind sehr stark aufgetreten, das war geradezu dramatisch, wie versucht wurde, auf Einheitsfront zu machen. Die Befürworter des Wellington-Abkommens wollen nun, daß nur noch ein Haftungsprotokoll als Zusatz formuliert wird, das als Umweltschutz ausreichen soll.
Ist damit die Entscheidung über die Zukunft der Antarktis nicht einfach vertagt?
Es wäre doch ein Wunder gewesen, wenn bei diesem Treffen plötzlich alle Länder umgeschwungen wären und sich gegen Rohstoffabbau ausgesprochen hätten. Es ist ein Fortschritt für den Umweltschutz in der Antarktis, daß nächstes Jahr ein Sondertreffen stattfindet. Dem Ausgang der Diskussion sind somit keine Grenzen gesetzt.
Hat das Prinzip Naturschutz überhaupt eine Chance?
Einige Länder werden sich sicherlich entschließen, das Rohstoffabkommen nicht zu zeichnen, um eben den Verhandlungen nächstes Jahr keine Einschränkungen aufzuerlegen. Unter anderem steht die BRD noch aus.
Wird Bonn jetzt zeichnen?
Ich hoffe nicht. Wenn die BRD das bis zum Stichtag 25. November macht, würde sie sich eindeutig zum Rohstoffabkommen bekennen.
Aber die Linie der BRD ist doch bisher pro Rohstoffausbeutung. Heulen die Bonner etwa nicht mehr mit den britischen und US-Wölfen?
Wir haben festgestellt, daß die BRD-Delegation sich sehr bewußt ist, daß die öffentliche Meinung in bezug auf Umweltschutz in der Antarktis sehr stark zunimmt. Das heißt, auch der öffentliche Druck nimmt zu auf Bonn, die Antarktis unter Naturschutz zu stellen. Das ist auch Ausdruck des allgemeinen Trends in der Weltöffentlichkeit, daß man mehr in Richtung globalem Umweltschutz denkt und nicht mehr kurzzeitige Abkommen abschließt.
Können sich bei dieser Verschiebung einer Entscheidung nicht beide Seiten als Sieger bezeichnen? Die Pro-Ausbeutung -Fraktion wird doch sicherlich versuchen, nächstes Jahr mit dem Haftungszusatz Politik zu machen.
Beim Kompromiß gibt es ja immer zwei Gewinner und zwei Verlierer; je nachdem, wie optimistisch oder pessimistisch man das auslegt. Ich sage nochmals, wir haben einen großen Fortschritt erzielt, daß sich die Länder hinsetzen und über umfassenden Umweltschutz in der Antarktis diskutieren werden. Noch nie waren wir so weit wie jetzt, noch nie war ein „Weltpark Antarktis“ so nah.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen