: Kunstlicht
■ Stuhl an sich und Bier für Weimar
„Meine Arbeit besteht darin, alltägliche Gegenstände wie einen Tisch, einen Stuhl oder auch ein Stück Holz in ihrer Wirkung wahrzunehmen. Das weitere Nachspüren ihrer Eigenheit läßt einen Wachstumsprozeß entstehen, in dessen Verlauf sich mir ein Gegenstand zu dem Gegenstand entwickelt.“ Sagt die gebürtige Schweizerin, gelernte Lehrerin, studierte Ottersbergerin und wohnhafte Berlinerin Salome Haettenschweiler (Jg.55) über ihre Arbeit. Sie zeigt ab Samstag Zeichnungen, Bilder und Objekte im KITO in Vegesack. Das Mittel der Künstlerin, das Ding an sich zu finden, ist die Umwickelung, Bandagierung, Verhüllung und erinnert an altägyptische Konservierungstechniken. (Alte Hafenstr.30, Eröffnung Samstag 20 Uhr durch die Schriftstellerin Antonia Loukakou.)
Noch ein Lehrer: Vilem Reichmann, 1908 in Brno/ Brünn geboren, entdeckte sein Interesse an Fotografie und Karikatur neben dem Lehrerpult, jobte auch mal als Baubeamter und hatte am Ende des Krieges laut Pressetext eine Infektionskrankheit. Er veröffentlichte seit '32 in der linken Zeitschrift „Index“, später unter anderem in der „AIZ“. Nach dem Krieg fiel er mit surrealistischen Fotos auf; er veröffentlichte mehrere Fotobände. Die Lichtbild Galerie in Worpswede zeigt einige seiner Arbeiten; die Ausstellung geriet Reichmann, der in der Vorbereitungszeit starb, zur posthumen Würdigung. (Neu-Bergedorfer Damm 44A, Tel.: 04792/4135; bis zum 28.10.)
Eine Prinzessin! Gewesene Assistentin von Andy Warhol! Wie muß er sich vorgekommen sein, der New Yorker Prinz? Und wie kommen wir uns vor, daß wir nun die Bilder der Ingeborg Prinzessin zu Schleswig- Holstein zu sehen bekommen? Nämliche hat immerhin die Katharinenkirche in Hamburg mit Tafelbildern und Rosetten versehen; die feierlichen Arbeiten der studierten Malerin in den königlichen Farben Rot und Gold sind ab Sonntag in der Kunsthalle Bremerhaven zu besichtigen. „Wichtiger als alle denkbaren christlichen, neuplatonischen, theosophischen, philosophischen Muster sind Farben, die kämpfen, jubilieren, zelebrieren.“ (Katalog) (6.10.-3.11.)
Und nun eine Balettmeisterin: Vera Eymann fand vor zwanzig Jahren über den Tanz zur Kunst, studierte dieselbe in Wien und Bremen und nähert sich ihrem Thema mit Radiernadel und Pinsel. Seien es Versuche zum „Capoeira“-Tanz, seien es kalligrafische Arbeiten zur Spannung / Entspannung, seien es meditative „Mönchs“-Bilder: Die Tanzerfahrung ist vielen Bildern anzusehen. (pro art-Galerie, Arberger Str.8; bis 15.10.)
Wurde die Sammlung “Junge Kunst“ des Kunsthallen-Sponsors „König Pilsener“ (lachende Biertrinker zieren regelmäßig das Kunsthallen-Periodikum „Punkt“) in Bremen als „Sammelsurium“ und konzeptlos verlacht, so reicht sie für die Zonis allemal. Die Sammlung — Kunsthallenchef Siegfried Salzmann ist der künstlerische Berater der Bierfirma — geht jetzt nach Weimar. Und zwar nicht nur, um den Ossis mal Namen zu zeigen (Schumacher, Geiger, Uecker, Robert Indiana ...); vielmehr werde, so die Kunsthalle, hier „beeindruckend gezeigt, wie engagiertes Unternehmertum die Arbeitswelt durch zeitgenössische Kunst bereichert.“ Womit die Problemlage Ost punktgenau getroffen wird. Prost! Bus
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