: Medien schüren rassistische Gewalt
Seminar analysierte den Sprachgebrauch der Presse im Umgang mit „Asylantenberichterstattung“ Die Folge: „Eine gefährliche Normalisierung des rassistischen Diskurses“ ■ Von Sabine am Orde
Oer-Erkenschwick (taz) — Welchen Anteil haben Medien an der Eskalation rassistischer Gewalt? Diese Frage stellte das Seminar. „Die Asylkampagne oder der Umgang der Medien mit der ,Asylantenfrage‘“, das der Verband Initiativgruppen in der Ausländerarbeit Nordrhein- Westfalen am letzten Wochenende im Ruhrgebiet veranstaltete.
Stoff der Untersuchung waren Artikel aus Zeitungen. Die Ergebnisse sind überraschend: Keineswegs nur die 'Bild‘-Zeitung, fast alle deutschen Printmedien seien dazu übergegangen, die Feindseligkeit gegenüber Fremden in Wort und Bild stetig zu verschärfen.
Für Ute Gerhard, Literaturwissenschaftlerin der Bochumer Diskurswerkstatt, ist das öffentliche Sprechen über AusländerInnen, also der Diskurs in Medien und Politik, ein zunehmend rassistischer Diskurs geworden: „Der Eskalation von Gewalt ist eine Eskalation in den Medien vorausgegangen.“
„Zentral ist der Begriff ,Asylant‘, den mittlerweile fast alle Zeitungen zur Bezeichnung von Flüchtlingen verwenden“, so Ute Gerhard. Aufgekommen sei dieses „Unwort“ Ende der 70er mit der Zunahme von Südflüchtlingen in die BRD. Bis dahin kam der größte Teil der Flüchtlinge aus Osteuropa. „Ostflüchtlinge“ wurden auch weiterhin als „Flüchtlinge“ bezeichnet, während Medien und PolitikerInnen mit dem negativ besetzten Begriff „Asylant“ Flüchtlinge aus der sogenannten Dritten Welt abqualifizierten. Die Endung „-ant“, so Ute Gerhard, werde umgangssprachlich negativ gebraucht: zum Beispiel in den Worten Querulant oder Simulant. „Während im Mediendiskurs die Bezeichnung ,Flüchtlinge‘ für die wenigen Menschen steht, die tatsächlich gefährdet sind, sind ,Asylanten‘ die Massen, die das Asylrecht mißbrauchen.“ So titelte jüngst der 'Spiegel‘ in negativer Steigerung: „Flüchtlinge, Aussiedler, Asylanten — Ansturm der Armen.“
Bedrohlich wirkende sprachliche Bilder verstärken das Negativbild vom „Asylanten“, am auffälligsten die „Flut“-Symbolik: „Asylantenströme fließen“ nach Westeuropa oder werden von Schlepperorganisationen „eingeschleust“. Deutschland wird so zum vollen Boot, das zu kentern droht. Unterstellt wird: Gegen Fluten muß man Dämme bauen. Vor diesem Hintergrund können sich sowohl mordende Skinheads als auch die Schreibtischtäter der Politik als „Dämmebauer“ legitimiert fühlen.
Demgegenüber werden Fluchtursachen und Einzelschicksale der Fliehenden in der deutschen Presse kaum thematisiert. Obwohl die Medien einerseits rassistische Gewalttaten „der braunen Fratze“ ('Bild‘) oder „des braunen Drecks“ ('Spiegel‘) verurteilen, ändern sie ihren Schreibstil dennoch nicht. „Das ist eine gefährliche Normalisierung des rassistischen Diskurses“, resümierte Ute Gerhard.
StudentInnen des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung stellten fest, daß die 'Bild‘- Zeitung die Flüchtlingshetze mit ihrer Sommerkampagne auf die Spitze getrieben hat: Ab Mitte September leuchtete die Werbung für die 'Bild‘- Serie: „Asylanten — wer soll das bezahlen“ in vielen Städten von Bushaltestellen und Plakatwänden. In zehn Folgen hatte 'Bild‘ anhand von Einzelbeispielen „die Kostenfrage des angeblichen Asylmißbrauchs in den Alltagsdiskurs hineingesponnen“. So seien Flüchtlinge demnach nicht nur ungerechtfertigt hier, sondern auch noch teuer: „Scheinasylanten“ also.
Mit 'Bild‘ wird ein lange tabuisierter Begriff gesellschaftsfähig. Angesichts der „Macht des öffentlichen Diskurses“ forderte das Seminar einen bewußten und verantwortungsvollen Umgang mit Sprache: Rassistische Bilder müßten demontiert, Zahlen in Frage gestellt, Fluchtursachen erklärt werden. „Warum heißt es nicht: Super, in diesem Jahr haben wir es geschafft, hunderttausend Flüchtlinge aufzunehmen!“ fragte Ute Gerhard. Daß so etwas möglich ist, zeigte die Berichterstattung über die Flüchtlige aus der DDR im Herbst 1989.
Doch nicht nur Sprache und Symbolik der Presse wurden kritisiert. Flüchtlinge und EinwanderInnen haben keine Stimme in den Medien: „Wir werden nur dann nach unserer Meinung gefragt, wenn es um die sogenannte Ausländerproblematik geht“, so Cüneyd Sozbir, der Seminarleiter. Statt dessen müsse die Presse EinwanderInnen und Flüchtlinge selbst zu Wort kommen lassen. Dazu gehöre auch, ihre Ängste zu thematisieren, anstatt „ständig über die Ängste der Deutschen zu schreiben, die nichts von ihrem Wohlstand abgeben wollen“. Cüneyd Sozbir weiter: „Wenn hier jemand Angst haben muß, dann die Ausländer. Es geht um unser Leben.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen