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In Togo herrscht die Angst

Eine Woche nachdem sich Togos Premierminister Koffigoh den putschenden Militärs ergab, befinden sich die meisten Politiker im Exil oder im Untergrund/ Deutschland zieht seine Staatsbürger ab  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) — Gehen in Togo die Uhren anders? Eine Woche nach dem Handstreich der Militärs gegen die Demokratisierung in dem westafrikanischen Staat herrscht nur noch Konfusion. Es ist der wohl einmalige Fall eines Putsches, der die weggeputschte Regierung nicht durch eine neue ersetzt, sondern einfach ein Machtvakuum entstehen läßt.

Am greifbarsten ist noch die stark antieuropäische Stimmung in der Hauptstadt Lomé: Frankreich wird aufgrund seiner Nichtintervention zugunsten der Demokratie des „Verrats“ bezichtigt, auf Franzosen und Deutsche hat es tätliche Angriffe gegeben. Deutschland hat seine Entwicklungshilfe eingestellt und zieht seine Staatsbürger in Togo jetzt ab. Dieser Tage sollen die Familien der Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns- Seidel-Stiftung das Land verlassen. Die Mitarbeiter des DED sind als nächste dran. In den nächsten drei Monaten sollen schließlich die Bundeswehrausbilder ausreisen.

Eine rasche Lösung des Konfliktes zwischen den jungen Demokraten und den Kräften der alten Militärdiktatur zeichnet sich nicht ab. Formell existieren alle seit Beginn der Demokratisierung im August geschaffenen Institutionen weiter. Die Übergangsregierung unter Ministerpräsident Joseph Kokoh Koffigoh amtiert noch immer, der als Parlament fungierende „Hohe Rat der Republik“ (HCR) ist nicht aufgelöst. Nur: In der Praxis existieren beide nicht mehr. Die meisten Mitglieder des HCR sind untergetaucht, aus Angst vor den Militärs. Die Hälfte des Kabinetts Koffigoh sitzt im französischen oder westafrikanischen Exil, die andere Hälfte läßt sich nicht blicken. Koffigoh fährt ab und zu mit seinem blauen Mercedes durch Lomé und läßt sich von der Menge als Held feiern — doch regieren kann er nicht.

Einzige stabile Institution ist das Militär. Die tatsächliche Macht liegt bei Staatspräsident Gnassingbe Eyadema, eigentlicher Gewinner der Krise. Daß seine Familienangehörigen in der Armee zu den Anführern der Putschisten gehörten, ist bekannt; nun mehren sich auch Gerüchte, wonach auf seinem Privatflugplatz im Norden Togos kurz vor dem Putsch Waffen aus Zaire eingetroffen seien.

Viel Blut ist in den Straßen Lomés geflossen, seitdem Koffigoh sich vor einer Woche den putschenden Militäreinheiten vor seinem Amtssitz ergab. Die 50 Mann starke Soldateneinheit, die damals das Regierungsgebäude gegen die Putschisten verteidigte, wurde verhaftet und soll summarisch hingerichtet worden sein. Schwere Auseinandersetzungen gab es in den westlichen Stadtvierteln der Hauptstadt, wo die Bevölkerung schon im Frühjahr gegen die Diktatur auf die Straße ging. Die Angaben über Todesopfer schwanken zwischen 30 und 400. Zeitweilig hielten sich 100.000 togolesische Flüchtlinge im Nachbarland Ghana auf, von denen viele jetzt wieder zurückkehren. Viele Händler im Hafen von Lomé sind in den östlichen Nachbarstaat Benin gereist, das unter der demokratischen Regierung von Nicéphore Soglo bessere Wirtschaftsbedingungen bietet.

Seit einigen Tagen, so Augenzeugen, hat sich die Lage oberflächlich normalisiert; die Geschäfte hätten wieder geöffnet, die Menschen trauten sich wieder auf die Straße, Militär sei nicht zu sehen. Doch kommt es weiterhin zu mysteriösen Terroranschlägen. Letzte Woche wurde das Haus des Oppositionsführers Edem Kodjo angezündet, am Montag die Büros der demokratischen Wochenzeitung 'Forum Hebdo‘ verwüstet.

„Die Bevölkerung hat Angst“, beschreibt der prominente Rechtsanwalt Djovi Gally die Lage gegenüber der taz. „Es gibt bereits Widerstand. Nun könnte es zu einer Radikalisierung kommen.“ Notwendig, so Gally, ist nun „die Bildung eines Organs, in dem Zivilisten und Militärs sitzen“. Denn: „Die Armee muß der zivilen Autorität unterworfen werden.“ Koffigoh, den Eyadema mit der Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit beauftragt hat, müsse nun „mit viel Weisheit“ einen Kompromiß finden.

Während Gally eine Restauration der Militärdiktatur dennoch für „unmöglich“ hält, sind andere skeptischer. Ein Journalist: „Die Opposition ist auseinandergefallen.“ Yawo Agboyibor, Leitfigur der Demokratiebewegung des Frühjahrs, hat bereits auf Flugblättern gegen Koffigohs „Ausverkauf“ an Eyadema protestiert. „Es gibt weder politische Durchsetzungsmechanismen noch funktionierende Institutionen“, sagt ein europäischer Beobachter, sondern „nur noch Unsicherheit“. So könnte Togo bald einen Weg gehen „wie Liberia oder Zaire“.

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