: Endlich: Care-Panzer nach Somalia
■ Kabinett billigt humanitäre Aktion mit Panzern und Waffentransporten / Streit im Bundestag
Bonn (taz) – Trotz wachsender Zweifel an dem Sinn und dem humanitären Charakter des deutschen Somalia-Einsatzes hat die Bundesregierung gestern die Entsendung von etwa 1.600 Soldaten an das Horn von Afrika beschlossen. Gemäß der Bitte der UNO werde die Bundesrepublik die Aktion UNOSOM II mit einem verstärkten Nachschub- und Transportbataillon unterstützen, heißt es in dem Kabinettsbeschluß. Die Kosten beziffert die Bundesregierung auf 100 Millionen Mark. Das Bataillon werde in einem befriedeten Gebiet stationiert und nicht die Aufgabe haben, militärischen Zwang anzuwenden.
Details der Einsatzplanung, die inzwischen bekannt wurden, weckten zunehmende Zweifel an dem angeblich humanitären Charakter des Einsatzes. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, daß auch „der eine oder andere Spähpanzer“ vom Typ „Luchs“ sowie Panzermörser in Somalia zum Einsatz kommen könnten. Zudem sollen die deutschen Soldaten auch den Transport von Waffen und Munition übernehmen. Dies sei zulässig, so Außenminister Klaus Kinkel, soweit dieses Material für die eigene Selbstverteidigung sowie für die Selbstverteidigung anderer UN-Kontingente gebraucht werde.
Es sei nicht ausgeschlossen, daß sich die deutschen Soldaten gegebenenfalls an der Verteidigung anderer UN-Einheiten beteiligen, wenn diese angegriffen würden, bestätigte Regierungssprecher Dieter Vogel. In etwa zwei Wochen soll ein Erkundungskommando den Einsatzort im Nordosten von Somalia besichtigen. Der eigentliche Einsatz wird nicht vor Juni beginnen.
Gleichzeitig wurde durch eine Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung bekannt, daß ein Referent des Auswärtigen Amtes Ende März massive Zweifel am Sinn des Einsatzes geäußert hatte. In der Gegend um den mutmaßlichen deutschen Einsatzort Bosasso im Nordosten Somalias gebe es für die bloße Verteilung von Hilfsgütern überhaupt keinen Bedarf, hatte der Beamte in einem Vermerk notiert. Das Verteidigungsministerium habe diesen Ort offenbar bevorzugt, weil hier die öffentliche Wirkung des Einsatzes besser sei als bei einer von der UNO der Bundesregierung angebotenen logistischen Aufgabe im Hafen von Mogadischu. Ein Sprecher des Außenministeriums bestätigte die Existenz des Vermerks, wertete ihn aber als „Aufzeichnungen eines Hilfsreferenten“ und „Luftblase“.
Im Streit um eine Grundgesetzänderung gab es auch in der gestrigen Bundestagsdebatte keine Annäherung. Die SPD erneuerte ihr Angebot, für Blauhelm-Aktionen die Verfassung zu ändern. FDP- Fraktionschef Solms konterte, dies sei „der gleiche Unsinn“, den die SPD seit langem vorschlage. Solms bestand darauf, daß auch Kampfeinsätze möglich sein müßten. Gleichzeitig versicherte er, daß die Koalition einstweilen keine weiteren Kampfeinsätze beschließen werde. Zunächst müsse entweder die Verfassung geändert werden oder das Bundesverfassungsgericht in seinem endgültigen Urteil zu den Awacs-Klagen die Verfassungsmäßigkeit solcher Einsätze feststellen. Dies habe die Koalition am Dienstag vereinbart. hmt Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10
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